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Blackout

Blackout

Titel: Blackout Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregg Hurwitz
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Berichten und grobkörnige Zeitungsfotos meiner Wenigkeit konzentriert hatte. Ich hatte mich immer nur halb auf die Dokumente konzentrieren können, die andere Hälfte meines Kopfes wälzte einen Wirrwarr aus nicht zu Ende gedachten Gedanken. Es war erst kurz nach fünf, aber die Sonne war schon hinter die Palmenreihe gesunken, die den westlichen Rand des Canyons begrenzte. Palmwedel im Gegenlicht – auch nach zwanzig Jahren in L.A. ließ mich dieser Anblick immer noch bewundernd innehalten.
    Die Palmen, ebenso importiert wie wir, waren vor Jahrhunderten von den spanischen Missionaren nach L.A. gebracht worden. Ich hatte gelesen, dass sie ausstarben und sich die letzten Bäume dem Ende ihrer hundertjährigen Lebenszeit näherten. Die örtlichen Bürokraten hatten beschlossen, dass Laubbäume mit breiten Kronen besser geeignet waren, um die Autoabgase zu neutralisieren. Außerdem verärgerten herabfallende Palmwedel die Yuppies, weil sie ihre Mini Cooper zerkratzten. Die Sägen der Baumschneider verbreiteten tödliche Pilze. Aber trotz allem hielten die Palmen noch durch. Mit ihren diskreten Wurzeln und den biegsamen Stämmen sind sie echte Überlebenskünstler. Sie werden von Stürmen nicht umgerissen. Sie beugen sich dem Wind. Sie kriechen über schattigen Boden, bis sie in einem Bogen wieder dem Licht entgegenwachsen. Sie sind struppig und zäh und schön und nutzlos, wie fast alles, was in Los Angeles überlebt. Ich hoffte, dass sie noch länger aushielten. Sich L.A. ohne Palmen vorzustellen, das war wie das Bild eines Löwen ohne Fell.
    Zum fünften Mal probierte ich es im Labor, und wie durch ein Wunder nahm diesmal Lloyd den Hörer ab. Nachdem ich ihn begrüßt hatte, wurde sein Tonfall hart. »Du kannst mich nicht mehr anrufen. Vor allem nicht hier.«
    »Ich bin da über ein paar Sachen gestolpert. Im Broach-Fall. Ich muss mit dir reden.«
    Die kurze Pause verriet mir, dass ich seine Neugier geweckt hatte. »Komm nicht hierher.«
    »Nach der Arbeit?«
    »Janice geht es nicht gerade glänzend.«
    »Tut mir leid, dass es so schlimm ist im Moment.«
    Ich hörte ihn in den Hörer atmen, dann sagte er leise: »Danke.«
    »Ich bin sicher, dass du nicht noch ein weiteres Problem gebrauchen kannst, aber ich wäre dir wirklich sehr dankbar, wenn du mir ein paar Minuten deiner Zeit schenken könntest. Kann ich es dir irgendwie einfacher machen? Ich komme zu dir, ich kann was zum Essen mitbringen, was auch immer.«
    Ich hörte leises Gemurmel im Hintergrund, dann änderte sich Lloyds Tonfall, und er sagte: »Ja, okay, Freddy. Ich werde mich dann morgen drum kümmern. Ich wollte jetzt gerade gehen.« Dann legte er auf.
    Auf dem Weg zu Lloyds Haus in North Hollywood fuhr ich bei »Henry’s Tacos« vorbei, dann hielt ich noch bei einem Wein- und Spirituosengeschäft und kaufte zwei Liter Cola und eine Flasche Bacardi 8 , sein Lieblingsgetränk. Er lebte an einer Sackgasse, die sich hinter einer zugewucherten Parkanlage entlangschlängelte. Ein großes, altes Haus mit Anbauten, weitläufigen Korridoren und einem Holzgatter vor einer kiesbestreuten Auffahrt. Ich öffnete den rostigen Riegel und fuhr den unbeleuchteten Weg entlang. Das Haus war etwas von der Straße weggedreht, so dass die Bewohner selbst zwar einen schönen Blick auf den Park hatten, aber bei Besuchern ein Eindruck von Ungastlichkeit entstand, da man beim Herankommen nur die private Küchentür sah.
    Lloyd war in der separat stehenden Garage hinterm Haus, wo er gerade in der Ausrüstung in seinem Van herumkruschte. Der Laderaum war mit Metallregalen bestückt, die vom Boden bis zur Decke reichten. Ein zweites Auto überwinterte unter einer schwarzen Plane. Als ich eintrat und Lloyd begrüßte, fuhr er erschrocken zusammen. Der Van war wie immer voll mit diversen Gerätschaften und Wunderlichkeiten. Fingerabdruckscanner. Heckenscheren, mit denen man Rippen durchschneiden konnte. Die farbige plastilinartige Masse, mit der man Schuhabdrücke vom Boden abnehmen kann. Ich hatte ihn einmal an einem Vormittag begleitet, an dem er siebzehn verschiedene Motoröle besorgt hatte, um die Sorte zu finden, die ein Fluchtfahrzeug am Tatort hinterlassen hatte.
    Er war gerade dabei, Fläschchen und Tablettenröhrchen in einen Rucksack zu stopfen, und hielt müde inne, als ich auf ihn zukam. »Sie nimmt so viele Schmerzmittel, dass ich schon die Übersicht verliere«, sagte er, als würde er an ein unterbrochenes Gespräch anknüpfen.
    »Danke, dass ich kommen durfte,

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