Blackout
Augen.«
»Dass er Linkshänder war, konntest du am Einstichwinkel feststellen?«
Er warf einen Blick auf meine Armbanduhr, die ich am rechten Handgelenk trug. »M-hm. Der Winkel verlief ganz leicht anders.«
»Und warum ein Mann?«
»Die Wucht, mit der das Messer geführt wurde.«
»Ist die Leiche bewegt worden?«
»Ja. Ein klein wenig.« Noch eine unbehagliche Pause. »Von dir. Dein Anfall begann erst als nichtgeneralisierter Anfall. Es war also nicht die Sorte, wo man gleich zuckend auf dem Boden liegt, sondern eher mit Aussetzern im Bewusstsein und Automatismen – wie Schmatzen mit den Lippen und mechanisch wiederholte Fingerbewegungen. Solche Anfälle sind schon öfter für die Verteidigung in Fällen von Ladendiebstahl herangezogen worden, obwohl man die Sache damit ein bisschen überstrapaziert. Aber du hättest immer noch genug Kontrolle über deinen Körper gehabt, um Geneviève Bertrands Leiche zu bewegen. Bis dein Anfall sich zu einem Grand Mal auswuchs.«
»Wäre ich in diesem Zustand fähig gewesen, sie zu erstechen? Mit so einem nichtgeneralisierten Anfall?«
»Das ist wenig wahrscheinlich. Ich stimme mit Katherine Harriman darin überein, dass dein Anfall wohl erst nach dem Mord angefangen hat.« Er musterte mein Gesicht und fügte dann sanft hinzu: »Tut mir leid, Drew.«
Ich rieb mir die schmerzenden Augen mit den Handballen. »In meiner ersten Nacht zu Hause hatte ich einen Traum. Ich bin in jener Septembernacht zu ihrem Haus gefahren, ich war außer mir. Sie hatte immer einen Ersatzschlüssel unter einem Blumentopf auf der Veranda. Als ich ihn rausholte, habe ich den Untersetzer zerbrochen. Sowie ich aus diesem Traum aufgewacht bin, bin ich zu ihrem Haus gefahren.« Sollte ich ihm den Rest erzählen? Konnte ich? Lloyds Haus war so still, dass ich das leise Seufzen der Krankenhausapparaturen vom anderen Ende des Flurs zu hören glaubte. »Der Untersetzer war tatsächlich zerbrochen. Und das war er noch nicht, als ich ihn zum letzten Mal gesehen hatte. Ich glaube, dass ich in diesem Traum ein Stück Erinnerung wiedergefunden habe. Ich glaube, dass ich anfange, einzelne Fragmente von den Geschehnissen dieser Nacht zusammenzusetzen.«
Er runzelte ernst die Stirn und dachte darüber nach. »Was meinst du damit, du warst außer dir?«
»Ich habe sehr stark geschwitzt. War völlig panisch.«
»Kannst du dich an einen ungewöhnlichen Geruch erinnern?«
Mir wurde ganz kalt im Nacken. Da mir die Stimme den Dienst versagte, nickte ich einfach nur.
»Irgendwie bitter? Wie verbranntes Gummi?« Lloyd musste nicht erst auf die Antwort warten. Er konnte sie an meinem Gesicht ablesen. »Olfaktorische Aura nennt sich das. Sie tritt oft kurz vor einem Anfall auf.«
Ich erinnerte mich, einmal etwas über Auren gehört zu haben, hatte diese Information aber nicht mit meinem Traum in Verbindung gebracht. »Kann ich dich noch etwas anderes fragen?«
»Die Frage muss lauten: Kann ich dir eine Antwort geben?«
»Ich möchte etwas über Sevofluran erfahren«, sagte ich.
Lloyd setzte seine Brille auf, als könnte er so besser denken, dann fragte er vorsichtig: »Was ist damit?«
»Du hast Spuren davon in Kasey Broachs Blut gefunden.«
»Haben Kaden und Delveckio dir das etwa erzählt?«
Ich konnte nicht einschätzen, ob er eher schockiert oder sauer war. »In der Nacht, als ich meinen Traum hatte, war ich richtig zerschlagen, als ich aufwachte, und sah alles so ein bisschen verschwommen. Außerdem hatte ich eine Schnittwunde an meinem Fuß – ich nehme an, dass jemand mich außer Gefecht gesetzt und mir Blut abgenommen hat, um mir den Mord in die Schuhe schieben zu können.«
Lloyd stieß ein unfrohes Lachen aus. »Drew … «
»Bitte hör mir einfach nur bis zu Ende zu, Lloyd. Ich habe heute ein paar Nachforschungen zu Sevofluran angestellt. Das Medikament würde sich für diese Zwecke bestens eignen. Leicht einzuatmen, führt zu sofortiger Betäubung, kein stechender Geruch. Es scheidet so schnell wieder aus dem Blutkreislauf aus, dass es sich nur ganz schwer nachweisen lässt. Obendrein hat es keine starken Nachwirkungen, so dass ich eventuell gar nicht bemerken würde, dass man mir etwas gegeben hat.«
»Wusstest du es denn?«
»Tja, der Mörder hatte einen guten Vorsprung, denn ich habe ja eher angenommen, dass ich verrückt bin. Aber da wäre ja noch etwas: Sevofluran führt auch zu Gedächtnisverlust.«
»Du glaubst also …«
»Ich glaube, dass mich dieses Gas in dasselbe Ödland in
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