Blackout
Schreiberei hatte ich völlig vergessen, dass er meine Bücher vielleicht auch mochte. Die Möglichkeit, dass er mich höher schätzte, als er zeigte, ließ meine Meinung von ihm seltsamerweise ein wenig sinken. Preston, der sich viel gewandter ausdrücken konnte als ich, war als Verleger das Risiko eingegangen, fünf Bücher von mir zu veröffentlichen, und seitdem hatte ich mein Bild von ihm nicht mehr korrigiert. Obwohl wir gute Freunde geworden waren, wenn nicht sogar enge Freunde, hatte ich ihn unbewusst doch immer noch als Teil dieses uneinnehmbaren Gefüges des New Yorker Verlagswesens betrachtet, und ich war ihm ergeben, weil er der Erste gewesen war, der mir beim Aufstieg geholfen hatte. Ich wusste selbstverständlich, dass ich damals eine Chance für ihn gewesen war, und jetzt erst recht. Aber vielleicht war ich eine größere Chance für ihn gewesen, als ich geglaubt hatte. Wie wir alle war Preston auf seine ganz eigene liebenswerte Art ein kaputter Mensch. Aber vielleicht war er auch so gewöhnlich wie wir alle. Vielleicht brauchte er mich genauso sehr wie ich ihn.
Preston hatte irgendetwas gesagt.
Ich landete wieder in der Wirklichkeit. »Entschuldigung?«
»Ich sagte: ›Ja, du hast also Junior gefunden …?‹«
Obwohl ich die Geschichte mit Xena und dem Polizisten und der Zelle weitererzählte, konnte ich nicht vermitteln, wie wahnsinnig komisch das alles gewesen war. Preston schenkte mir ein schwaches Lächeln und nickte ab und zu, aber wir waren beide nicht ganz bei der Sache und wussten, dass unser oberflächlicher Wortwechsel nur eine Scharade war.
Als ich fertig war, sagte ich lahm: »Du musst den Jungen echt kennenlernen.« Dabei ließ ich die Ecken eines Zeitungsteils immer wieder durch meine Finger schnalzen, bis einen das Geräusch ganz wahnsinnig machte. Die Luft war stickig, die Atmosphäre klaustrophobisch. Ich wollte nur noch raus, wollte unbedingt gleich damit anfangen, Juniors Fahrzeugbeschreibung nachzugehen. Schließlich sagte ich: »Ich muss jetzt zu Lloyd. Ihm von dem Volvo erzählen. Ich war bloß kurz vorbeigekommen, weil ich dachte, dass du diese Geschichte hier ziemlich abgefahren finden würdest.«
»Tut mir leid, wenn ich dich enttäuscht habe.«
»Du enttäuschst mich doch nie, Preston.«
Er rang sich ein Lächeln ab, bevor er aufstand, um mich hinauszubegleiten.
»Nein«, sagte er. »Natürlich nicht.«
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23
L loyd saß am Küchentisch. Er hatte die Arme auf ein verkrümeltes Tischset gelegt und hielt den Kopf gesenkt. Ich hatte ihm an der Tür von der Fahrzeugbeschreibung erzählt, und er war ein paar Schritte zurückgetreten und hatte sich auf den Stuhl sinken lassen.
»Unglaublich«, sagte er. »Du hast Modell, Farbe, Information über einen ganz speziellen Blechschaden und die erste Ziffer des Kennzeichens?«
»Meinst du, damit soll ich zu Kaden und Delveckio gehen?«
»Lass uns noch mal kurz nachdenken.« Er stand auf und goss sich einen Bacardi-Cola ein. Ich bemerkte, dass die Flasche Bacardi 8 , die ich ihm vor zwei Tagen mitgebracht hatte, so gut wie leer war. Lloyd trug eine Jogginghose und ein T-Shirt, und die Decke auf dem Sofa war zurückgeschlagen. Im Hintergrund sah man einen Kopf auf dem Fernsehschirm, der etwas über die Vogelgrippe daherplapperte und allerlei Unheil und Ruin prophezeite. »Du weißt aber nicht mit Sicherheit, dass dieser Volvofahrer auch die Leiche dort abgelegt hat?«
»Nein. Der Zeuge ist weggelaufen, bevor er mehr sehen konnte. Es ist schon möglich, dass danach noch ein anderes Auto gekommen ist, aber wir sprechen hier doch von einem ziemlich engen Zeitrahmen – zwischen dem Augenblick, wo mein Zeuge davonlief, und dem Moment, wo du dein erstes Foto vom Tatort geschossen hast.«
»So oder so, es ist auf jeden Fall die Mühe wert, sich mal mit diesem Volvofahrer zu unterhalten. Entweder ist er unser Mann, oder er hat wahrscheinlich irgendetwas beobachtet.« Lloyd saugte einen Eiswürfel aus seinem Glas in den Mund und zermalmte ihn geräuschvoll zwischen den Zähnen. »Wie zuverlässig ist denn dein Zeuge?«
Ich versuchte mir vorzustellen, wie Kaden und Delveckio einen Jungen wie Junior ernst nehmen sollten.
Lloyd sah mir am Gesicht an, was ich dachte. »Dann sollten wir erst mal sehen, was wir ohne die Detectives aus diesen Informationen machen können. Lass sie mich morgen selbst überprüfen, mal abwarten, was ich finde. Nach einem über dem Vorderrad eingedellten Kotflügel kann ich zwar nicht suchen, aber
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