Blackout
zum ersten Mal. Als ob man das Gefühl geradezu entdeckt hätte.« Die Sehnsucht in ihrer Stimme war fast greifbar. »Man kann nicht sein ganzes Leben lang so brennen, sonst würde man ausbrennen. Trotzdem, sobald es vorbei ist, ist es doch ein Verlust.«
Der Typ stand auf. Auf seinem T-Shirt stand
Er bläst sich nicht von selbst.
»Ach ja«, sagte ich. »Junge Liebe.«
Caroline lachte, und der Junge blieb stehen und starrte uns an.
»Alles klar«, meinte ich, »erst so ein T-Shirt anziehen, dann aber nicht wollen, dass einen die Leute ansehen.«
Er zog ein grimmiges Gesicht und ging hinaus, wobei er sich mit seiner Zigarette auf den Handrücken klopfte. Als die Bedienung kam, versuchte ich zu bezahlen, aber Caroline bestand – ein wenig zu entschieden – darauf, die Rechnung zu teilen.
Nachdem die Kellnerin uns das Wechselgeld gebracht hatte, sagte Caroline: »Als ich im Hope House anfing, merkten wir, dass wir bei manchen Kids einfach keinen Fuß auf den Boden kriegten, weil wir ihre Reaktionen nicht begriffen. Also habe ich Hausbesuche durchführen lassen – für die Berater. Damit sie sehen, woher diese Kids kommen. Wir haben dadurch einfach besser verstanden, wie wir mit ihnen in anderen Zusammenhängen umgehen mussten.« Sie machte eine Pause, um ihr Bier auszutrinken, und ließ mich im Unklaren darüber, ob sie jetzt gleich gehen würde. »Sie kannten Geneviève, aber alles, was Sie von Kasey Broach haben, ist eine Leiche auf einem Foto. Wenn Sie herausfinden wollen, wie Sie diese Frau einordnen sollen, dann müssen Sie sich ansehen, wo sie gewohnt hat, müssen ihre Familie kennenlernen.«
»Und was soll ich ihnen sagen? Hallo, ich werde verdächtigt, Ihre Tochter ermordet zu haben, und würde Ihnen gerne ein paar Fragen stellen?«
Sie zuckte die Achseln. »Sie sind doch kreativ. Wahrscheinlich.« Ihre Augen wanderten zum Billardtisch hinüber. »Wollen Sie spielen?«
»Sie wollen mich zu einer Partie verführen und mich dann über den Tisch ziehen?«
»Ich bin nicht sehr gut.« Wieder dieses wunderschöne Lächeln.
Zweieinhalb Minuten später sah ich ihr zu, wie sie sich über den Billardtisch beugte, um die Fünfzehn anzuvisieren, ihre zweitletzte Kugel auf dem Tisch. Ich hatte noch sechs Kugeln, dafür aber nicht mehr allzu viel männliche Würde übrig. Außerdem hatte ich entdeckt, dass Caroline Raine nicht nur eine Art zu lachen kannte, sondern über ein ganzes Vokabular verfügte – das jubelnde Auflachen des Siegers, das zuversichtliche Glucksen, das unterdrückte Kichern.
Sie bugsierte die Fünfzehn mit einem völlig unmöglichen Stoß zwischen der Eins und der Fünf hindurch und machte sich an die Neun. Die nächste Kugel versenkte sie mit einem irritierend rückwärts wegprallenden Stoß, den ich so bisher nur aus Paul-Newman-Filmen kannte.
Sie ging um den Tisch herum und rieb die Spitze ihres Queues mit Billardkreide ein. Der Typ mit dem geistreichen T-Shirt hing immer noch am öffentlichen Telefon, aber der Stuhl seiner Freundin blockierte die Stelle, von der aus Caroline ihren nächsten Stoß machen wollte.
»Könnten Sie mich wohl bitte kurz hier hinlassen?«, fragte Caroline.
»Wir waren zuerst hier«, erwiderte das Mädchen. »Und ich bin schon einmal weggerückt. Ich werde hier nicht um den Tisch rumtanzen, damit Sie immer schön Platz haben.«
»Macht es Ihnen solche Umstände, ein paar Zentimeter nach links zu rutschen?«
Das Mädchen mit dem unsäglich schönen Gesicht knipste ein falsches Lächeln an. »Was ich mag: Wassersport, lange Strandspaziergänge, Kätzchen. Was ich nicht mag: penetrante Tussen mit ruiniertem Gesicht.«
Carolines Gesicht lief dunkel an, bis auf die Narben. Der Kontrast war beeindruckend stark. Sie legte den Billardqueue hin und drehte sich zu mir. »Gehen wir.« Sie machte ein paar Schritte auf die Tür zu, dann blieb sie stehen und bedachte mich mit einem unduldsamen Blick.
Ich blieb neben dem Mädchen stehen. Auf dem Tisch neben ihrem Smirnoff Ice lagen Fotos von ihr in diversen zuckersüßen Posen. Sie oder ihr Freund hatten mehrere Bilder mit einem roten Folienstift eingekreist, um in Frage kommende Porträtfotos auszuwählen.
»Ich kenne dich«, sagte ich ganz ruhig. »Du hattest das Glück, ein paar anständige Gene zu erwischen, und glaubst, dass das schon ein Beitrag zu dieser Welt ist. Du willst gar nicht wirklich schauspielern – du bist nur faul und möchtest von allen angeschaut werden und damit so viel Geld verdienen,
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