Blackout
ansonsten hast du mir eigentlich ziemlich gute Suchkriterien an die Hand gegeben. Sollte ich damit tatsächlich einen verdächtigen Fahrzeughalter auftun, hast du natürlich bessere Karten, wenn du mit dieser Geschichte zu Kaden und Delveckio gehst.« Er zeigte mit dem Zeigefinger auf mich. »Aber mich lässt du dabei aus dem Spiel.«
»Ich habe dich bis jetzt nicht erwähnt und werde es auch in Zukunft nicht.«
Ein Seufzer, der vor lauter Dehydrierung ganz brüchig klang, war über den Flur zu hören. Ein schwacher Ruf folgte – Lloyds Name, wie mir klar wurde.
Lloyd sprang auf und lief nach hinten. Die Panik beschleunigte seine Schritte. Die Stimme hatte erschreckend, fast beängstigend geklungen, und ich ertappte mich, wie ich an der Schwelle zum Flur stand und zum anderen Ende starrte. Die Schlafzimmertür war wie immer geschlossen, aber ich konnte das Klirren von Fläschchen und Lloyds aufgeregte Stimme hören. Ich war unsicher, ob ich einfach gehen und ihnen ihre Privatsphäre lassen sollte. Schließlich war ich unangekündigt zu später Stunde an einem Montagabend bei ihnen hereingeplatzt, nachdem ich mal wieder ohne Erfolg Lloyds sämtliche Nummern durchprobiert hatte.
Hartnäckigkeit und Egozentrik – nützliche Charaktereigenschaften für einen Schriftsteller, aber damit war ich nicht unbedingt der rücksichtsvolle Mensch, den andere gern in ihrem Rolodex stehen haben. Als Buße räumte ich die Küche auf, um irgendwie die Lawine unerledigter Hausarbeiten abzumildern, die Lloyd hier jeden Morgen erwartete.
Ich stapelte die Teller aufeinander, wischte die Arbeitsplatten sauber und sammelte den losen Abfall – darunter ein paar alt gewordene Tacos – in ein paar Supermarkttüten zusammen. Dabei dachte ich über Carolines Kommentar über ihr Vertrauen in selbstsüchtige Motive nach. Lloyd würde es wahrscheinlich gar nicht bemerken, aber der Gedanke, ihm eine saubere Küche zu hinterlassen, gab mir ein gutes Gefühl. Als ich fertig war, beschloss ich zu gehen.
Gerade hatte ich meine Hand auf den Türknauf gelegt, da hörte ich Lloyds Stimme hinter mir: »Ich dachte immer, der Tod sei schön.«
Ich drehte mich um, und da stand er, in der Hand ein Tablett mit schmutzigen Teetassen, nicht leergegessenen Schüsseln und einem verkrusteten Waschlappen. Sein Rücken war leicht gekrümmt, als ziehe ihn das Tablett nach unten, und seine Augen sahen eingefallen und müde aus.
Ich ließ den Türknauf wieder los, nahm ihm das Tablett ab und stellte es neben der Spüle ab.
»Das ist nicht makaber gemeint«, erklärte er. »Aber – die Farben, wenn du dich langsam von allem losmachst. Verbranntes Orange, Grün, Dunkelblau. Wie ein Herbststrauß. Der Tod ist schön.« Er sah auf, und sein Gesichtsausdruck war leer und benommen. »Aber Sterben ist nicht schön. Nein, Sterben ist sogar ziemlich grässlich.«
»Geht es jetzt wieder?«
»Die Infusionsnadel war rausgerutscht. Blutspritzer auf dem Laken, ihren Kleidern, dem Boden. Das passiert manchmal.«
Er machte einen halben Schritt zur Seite und ließ sich auf einen Küchenstuhl sinken.
»Soll ich lieber gehen?«, bot ich an. »Vielleicht möchtest du alleine sein?«
Lloyd zupfte an einer Ecke seines Tischsets. »Und dann diese Kleider. Sie sind bequem. Man kann sie … leicht öffnen.« Er pustete die Wangen auf. »Frotteeware. Polyester. Ich würde elegante Sterbebekleidung designen. Damit könnte ich ein Vermögen verdienen.«
Ich setzte mich auf den Stuhl neben ihm. Er starrte auf seinen Platz, ich auf meinen. Wie zwei Tischnachbarn, die nichts zu essen bekommen haben.
»Sie ist restlos beschäftigt mit diesem grässlichen Geschäft des Sterbens. Ihr Auto auf meinen Namen ummelden. Die Rentenversicherung umschreiben. Ich flehe sie an, damit aufzuhören. Letzten Monat brauchte sie eine neue Brücke für viertausend. Sie sah den Zahnarzt nur mit diesem … diesem resignierten Gesichtsausdruck an und fragte: ›Aber das hält doch noch eine Weile?‹« Lloyd schüttelte den Kopf und bedeckte die Augen mit der Hand. Sein Gesicht verzog sich zu einem Schluchzen, aber es war nichts zu hören, und als er die Hand wieder wegzog, sah man auch keine Tränen. »›Aber das hält doch noch eine Weile?‹« Er schüttelte abermals den Kopf. »Sie sagte, sie möchte sich einfach den ganzen Stress dieser Zahnbehandlung nicht antun, wer wäre denn nicht froh, wenn er den Zahnarzt vermeiden könnte? Aber sie ist vom alten Schlag der Leute in Neu-England, die
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