Blackout
dass du deine Miete davon zahlen kannst. Du hast in einem Mundwasser-Werbespot mitgespielt und in einer Anzeigenkampagne für T. J. Maxx-Klamotten, und dein Agent glaubt, dass du demnächst ganz groß rauskommen wirst. In ein paar Jahren wirst du dir dann abschminken, dass du jemals eine von den ganz großen Schauspielerinnen werden könntest, und wirst dir denken, dass du immer noch in Sitcoms die ironische beste Freundin der Ehefrau spielen kannst. Noch eine Ausrede, um zehn Jahre lang nichts tun zu müssen. In der langen Zwischenzeit könntest du aber darüber nachdenken, was dir das Recht gibt, grausam und selbstgefällig zu sein – abgesehen von deinen ausgeprägten Wangenknochen und den Schmeicheleien von Leuten, die dafür bezahlt werden.«
Ich sah ihren Freund erst, als er über meiner rechten Schulter aufragte. Blitzschnell wich ich aus, sein Fausthieb glitt an meinem Kiefer ab, und dann hörte ich ein Rumsen und einen polternden Barhocker. Als ich wieder sicher auf den Beinen stand, sah ich Caroline, die über dem Typen stand und seinen Arm festhielt, den sie ihm auf den Rücken gedreht hatte. Ihr Fuß ruhte an seinem Kiefer und drückte sein Gesicht noch ein bisschen fester gegen den ausgetretenen Teppich. Seiner Freundin blieb der Mund offen stehen, und sie bedeckte mit einer Hand ihre perfekten Zähne. Sie war ganz blass geworden. Vielleicht war sie ja doch eine gute Schauspielerin.
Caroline blickte zu mir auf. »Können wir dann gehen?«
Ich nickte, und sie ließ ihn los.
Diesmal folgte ich ihr sofort auf den Parkplatz hinaus. Zwischen unseren Autos blieben wir stehen. Xena stand am Fenster auf der Fahrerseite und wedelte mit ihrem Stummelschwanz.
»Sie sind ein zweitklassiger Schriftsteller mit einer erstklassigen großen Klappe«, sagte Caroline.
Ich suchte nach einer bissigen Replik, aber ich hatte gerade eine Schreibblockade, und mein Kiefer tat weh. Vorsichtig betastete ich ihn.
Caroline seufzte. Offensichtlich ärgerte sie sich über sich selbst, weil sie sich Sorgen um mich machte. »Wie fühlen Sie sich?«
»Blamiert.«
»Ich meinte Ihr Gesicht.«
»Auch blamiert.«
»Kann ich mir gut vorstellen.« Sie verschränkte die Arme. »Was für eine wichtige Lektion haben wir heute gelernt?«
»Spiel niemals Billard mit einer Frau, die ihren Queue Charlie nennt?«
»Erstens: Dieses Mädchen kann auf sich selbst aufpassen. Zweitens: Fang keinen Kampf an, den du nicht gewinnen kannst.«
Ein paar Autos rauschten an uns vorbei, hupten, bis eines in eine Seitenstraße einbog. Wasserdampf zog aus dem Küchenfenster der Bar.
»Eigentlich waren nicht Sie derjenige, der hier auf die Barrikaden hätte gehen dürfen«, sagte sie.
»Sie haben mich gefragt, was ich aus meinem Prozess mitgenommen habe. Ich würde sagen, ich kann Boshaftigkeit noch schlechter ertragen als vorher.«
»Das Spielchen kenn ich. Ich bin früher auch mit blutendem Herzen durch die Gegend gerannt, um mich verletzlicher Menschen anzunehmen. Das übergewichtige Mädchen, für das sich kein Junge so richtig interessiert, das ein bisschen zu ernst nickt, wenn sich die Leute unterhalten, und das sich immer so gerne nützlich machen würde. Die kleine alte Dame an der Bushaltestelle, die ihre Handtasche mit einer Plastiktüte schützt, für den Fall, dass es anfangen sollte zu regnen. Der Einwanderer mittleren Alters, der bei McDonald’s hinter der Theke steht. Aber dann habe ich irgendwann gemerkt, dass ich voll auf den Projektionsexpress aufgesprungen war. Und da wurde mir klar, dass ich ein bisschen was von dieser Sorge lieber für mich selbst reservieren sollte.«
Ich dachte daran, wie ich sie durch ihre Bürotür belauscht hatte, als sie sich selbst ausschalt.
Nein, es ist nicht okay. Ich habe hier nicht Doppelschichten angeordnet, damit er jetzt wegen mir im Jugendknast landet.
Anscheinend hatte sie meine Gedanken gelesen. »Nicht, dass ich darin besonders gut wäre. Aber eines habe ich trotzdem gelernt.«
»Und zwar?«
»Dass man nicht durchs Leben kommen kann, dieses – scheiße – dieses verdammt wacklige Unternehmen, ohne dass man dabei verletzt wird. Das kann man einfach nicht. Nicht, wenn man ein fühlender Mensch ist. Nicht, wenn man sich weigert, den Kopf in den Sand zu stecken. Irgendwie ist
jeder
ein Wrack. Und wenn Ihnen das an Ihrem eigenen Leben nicht auffällt, dann am Leben anderer.«
Sie stieg in ihr Auto und wollte gerade aus der Parklücke fahren, da ließ sie noch einmal ihr Fenster herunter.
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