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Blackout

Blackout

Titel: Blackout Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregg Hurwitz
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»Das ist es nämlich auch, was Ihnen nicht klar ist, wenn Sie Ihre Fließbandromane schreiben. Jeder gehört zu den Guten. Jeder gehört zu den Bösen. Es kommt nur darauf an, wie genau man hingucken will.«

[home]
    22
    I ch klopfte noch einmal an die Tür aus Tannenholz, dann warf ich einen Blick durch eine der Milchglasscheiben. Obwohl ich Preston schon öfter vor seiner Haustür abgeholt hatte, war ich noch nie in seiner Wohnung gewesen, einer Zweizimmerwohnung mit Balkon inmitten der Reklametafeln am Sunset Boulevard. Mir fiel auf, dass ich trotzdem immer eine Vorstellung von ihr gehabt hatte – Mailänder Möbel, Badewanne aus Granit, leichter Geruch nach edler Handseife.
    Die Tür ging einen Spaltbreit auf, gerade genug, dass ein Gesicht hineinpasste. Einen Moment lang hielt ich Preston für jemand anders. Sein Haar, das sich sonst so sorgfältig über seiner Stirn aufwölbte, lag angeklatscht auf seinem Kopf, und er war unrasiert, so dass die Stoppeln sein Kinn grau sprenkelten. Ich konnte den Aufschlag eines Bademantels erkennen – hatte er seine Wohnung heute etwa noch gar nicht verlassen?
    In seinem Gesicht war Verlegenheit zu lesen.
    Mit einem Scherz versuchte ich die Situation zu entkrampfen. »Hatte ich denn nicht Bescheid gesagt, dass ich dich für die Cocktailparty bei den Beattys abhole?«
    Sein Gesicht verriet die Anspannung, und er wusste zum ersten Mal nicht, was er sagen sollte. Schließlich räusperte er sich und machte die Tür ein Stückchen weiter auf. »Ich war gerade am Redigieren. Hab noch keine Zeit gehabt, mich fertigzumachen.« Es klang wie eine Rechtfertigung, und mir fiel ein, dass er mich in all den Jahren unserer Bekanntschaft noch nie eingeladen hatte, ihn zu Hause zu besuchen. Aber angesichts der offensichtlichen Unbekümmertheit, mit der er mit einem Zweitschlüssel in meine Wohnung marschierte, hatte ich einfach angenommen, dass diese Ungezwungenheit in beide Richtungen galt.
    »Ist es gerade ungünstig?«, fragte ich. »Ich kann gerne …«
    »Du kannst genauso gut
jetzt
reinkommen.« Er trat einen Schritt zurück, und ich folgte ihm durch einen kurzen, dunklen Flur ins Wohnzimmer. Die Möbel waren noch nicht durchgesessen, aber ich war erschrocken, wie gewöhnlich sie aussahen. Eine Standardcouch. Weiß geflieste Küche. Antike Anrichte mit Rissen im Holz, nur noch zwei Kratzer vom Flohmarkt entfernt.
    Preston ging an seinen winzigen Arbeitstisch am Fenster zurück, setzte sich und deutete auf den zweiten Stuhl. Der Tisch, auf dem die Teile einer zerpflückten
New York Times
herumlagen, war wirklich nur für eine Person gedacht. Preston schob den Kunstteil der Zeitung beiseite und machte sich wieder über die Schüssel mit den durchweichten Cornflakes her, die wohl sein Abendessen darstellte. Aus seinem Bademantel guckte ein nacktes Bein hervor.
    Die ganze Szenerie war so trivial, so ungrandios, so extrem un-Preston-haft. Ich hatte ihn noch nie unrasiert gesehen. Ich hatte ihn noch nie ohne adrette Kleidung gesehen. Ich hatte noch nie gesehen, dass er etwas aus einem normalen Lebensmittelgeschäft gegessen hätte. Es war eine richtig gewöhnliche Szene in einer richtig netten Wohnung, aber irgendwie erlitt mein Bild von ihm und seiner Lebensweise einen Knacks, und das spürten wir beide. Im Grunde war nichts geschehen, überhaupt nichts – aber die Betretenheit war massiv.
    »Also?«, begann er. »Was ist so dringend, dass du nicht warten konntest, bis ich bei
dir
reinplatze?« Er blickte nicht von seiner Cornflakes-Schüssel auf; sein Scherz kam nicht von Herzen.
    Ich legte los. »Das wird dich umhauen. Dieser Junge – Junior, okay? Also, ich hab ihn im Hope House gefunden …«
    Aber die Umgebung lenkte mich einfach ab. Durchgeweichter Kaffeefilter auf der Arbeitsplatte. Ein einsames Glas in der Spüle, das darauf wartete, irgendwann gespült zu werden. Manuskriptseiten mit Prestons redigier-rotem Gekritzel hatten fast alle glatten Oberflächen in der Wohnung erobert. Es hatte etwas seltsam Trostloses, wenn man sich vorstellte, wie er hier alleine saß und ihm nur diese bedruckten Papierstapel Gesellschaft leisteten. Aber was hatte ich eigentlich erwartet – sollte er etwa während seiner Cocktailpartys redigieren?
    Auf dem vollgestopften Bücherregal über dem Fernseher, zwischen zwei schweren Krügen, stand eine Reihe meiner Hardcover. Das Einzige weit und breit, was offensichtlich präsentiert werden sollte. Über Prestons pausenlose Kritik an meiner

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