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Blätter treiben im Wind (German Edition)

Blätter treiben im Wind (German Edition)

Titel: Blätter treiben im Wind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Dengler
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es raus.«
    Sie zögerte. Es war deutlich spürbar. Doch dann brach es aus ihr heraus. Der Satz, der nun folgte, kam tief aus ihrem Inneren. Sie würde ihn nie, nie wieder sagen. Kein Mensch würde diesen einen Satz jemals wieder zu hören bekommen. Die Wahrheit. Ihr Gefühl, dass ihren Verstand nicht besiegen konnte.
     
    »Tom, ich war endlich von zuhause weg. Endlich raus aus der Hölle. Dann lernte ich Maurice kennen. Ich mochte ihn zu Anfang, aber warum musste er mir, in meiner neu gewonnen Freiheit, die ich das erste Mal in meinem Leben genießen konnte, ein Kind aufhalsen. So sehr ich Julia liebe, sie nahm mir meine Freiheit. Meine Luft zum Atmen. Mein Ich.«
    Es war gesagt, einmal. Niemals wieder würden solch Worte über Donnas Lippen kommen. Ihre wahren Gefühle. So sehr sie ihre Tochter liebte und praktisch nur für sie lebte, so sehr belastete sie ihr eigenes Leben. Doch für Julia würde sie ihr Leben geben. Jetzt, und in Zukunft. Ihre wahren Träume, Gefühle und Sehnsüchte waren bereits bei Julias Geburt abgestorben.
    »Ach, Donna. Du kannst dein Leben doch leben und für Julia trotzdem eine gute Mutter sein.«
    »Nein! Nein! Nein! Ich liebe Julia. Julia ist mein Ein und Alles. Sie hält mich am Leben. Ohne sie wäre ich bereits tot. Unter der Erde, verstehst du das, Tom.«
    Es hörte sich an, als ob sie diese Worte niemals zuvor ausgesprochen hatte. Zu ihm sprach nicht die Donna, die in seinen Armen lag, sondern die, die gestorben war, als Julia das Licht der Welt erblickte.
    Sie erzählte ihm weiter von den Misshandlungen ihrer Mutter. Im Alter von sechzehn war sie bis auf dreißig Kilogramm abgemagert. Sie kam ins Krankenhaus und wäre beinahe gestorben, wenn sie nur einen Tag später eingeliefert worden wäre. In einer halbjährigen Kur musste sie das Essen erst wieder neu erlernen. Ihr Körper tat sich schwer, auch nur das kleinste Stück Nahrung bei sich zu behalten.
    Tom fing an zu zittern. »Donna, das ist grausam. Du bist so eine verdammt starke Frau. Dir kann niemand das Wasser reichen. Lebe doch dein Leben, jetzt. Bitte tu‘ es, bevor du noch tiefer in Depressionen versinkst. Du hast so viele Träume und ein unverschämtes Können auf so vielen Ebenen des Lebens, bitte wirf das jetzt, mit vierunddreißig, nicht einfach so weg.«
    »Du verstehst nichts, Tom. Julia. Mein Leben ist Julia. Du verstehst nichts ...«
    Sie boxte ihn in die Seite. Ihm tat immer noch sein Auge weh. Er sah ein, dass er ihr nicht weiter einreden konnte, wie talentiert sie ist. Wenn sie es nicht wollte, was hatte es dann für einen Sinn? Er versuchte, das alles jetzt hinter sich zu lassen, und ein anderes Thema aufzugreifen.
    »Brauchst du noch Taschentücher?«
    Donna hatte alle aufgebraucht. Im Bett sah es aus, als ob dort große Hagelkörner eingeschlagen waren.
    »Ja, bitte.«
    »Gut, dass ich einen großen Vorrat habe, da ich ja auch so viel weine«, sagte er schmunzelnd.
    Sie rutschte wieder hoch, weit weg von ihm, auf die andere Seite des Bettes. Im schwachen Schein der Nachttischlampe, dachte er, ein schwaches Lächeln über ihr aufgelöstes Gesicht huschen zu sehen.
    Er reichte ihr eine neue Packung Taschentücher.
    »Lass mich jetzt in Ruhe. Ich will schlafen.«
    »Komm, ich hab‘ dich doch so gern.«
    »Du bist ein dummer Hund«, sagte Donna und zog dann verspielt ihre Lippen nach oben.
    »Und du dann wohl ein blödes Schaf.«
    »Hey, das kannst du doch nicht zu mir sagen.«
    »Du siehst doch, dass es geht.«
    »Du bist ein Idiot, weißt du das?«
    Sie lächelte. Donna lächelte tatsächlich wieder.   
    Wenn sie nach diesen eineinhalb Stunden wieder lachte, dann konnte sie sagen was sie wollte, dachte er.
    »Ich bin glücklicher, wenn du lachst.«
    Er hatte den heutigen Tag vor eineinhalb Stunden abgehakt. Sie würde um acht aufstehen und mit ihrem gemieteten Ford zurück nach Boston fahren. Nie wieder von sich hören lassen, und Tom hätte nicht einmal gewusst warum. Doch nun lachte sie wieder.
    »Mir geht es etwas besser. Lass mich aber jetzt bitte schlafen.«
    Er wollte ihren Arm greifen, aber sie zog ihn weg, dann schmiegte er sich in seine Picknickdecke. Sie rollte sich in die große Bettdecke ein.
     
    Tom dachte intensiv nach, was er Schlimmes getan hatte.
    Muss ich mir das antun? Ich wollte etwas richtig machen und machte es in ihren Augen komplett falsch. Ich wusste, warum ich für einige Jahre keine Beziehungen mehr wollte. Das macht mich fertig, den anderen zu gern zu haben oder sogar, noch

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