als Untergrund.
»Mom, du weinst ja « , sagte Julia. Sie sah in die glasigen Augen ihrer Mutter.
Donna wischte sich mit dem Ärmel ihres weißen Sweatshirts die Tränen aus dem Gesicht. Der Tag, die Stunden, jetzt der Augenblick; alles war so überwältigend. Sie zog ihren braunen Rucksack – der natürlich auch bei dieser Reise nicht fehlen durfte – zu sich heran und griff hinein. Sie wollte Julia etwas zeigen.
Donna zog die Hand wieder heraus. Sie sah ihre Tochter an.
Julia hatte strahlende kastanienbraune Augen und dunkelbraune, schulterlange Korkenzieherlocken. Und sie war ein glückliches Mädchen. Donna und Julia lachten und freuten sich über vieles, auch wenn sie wenig besaßen.
»Ist nicht schlimm, mein Liebes. Nur der Tag ... es war so schön mit dir. Und das alles erleben zu dürfen, in diesem Garten Eden ... ich bin so glücklich ... ich lieb‘ dich, ganz, ganz fest, Julia .«
Julia stand auf, ging um das Feuer herum zu ihrer Mutter und gab ihr einen Kuss. »Das weiß ich doch, Mom. Ich lieb‘ dich auch über alles auf der Welt « , sagte Julia strahlend.
»Was wolltest du denn gerade aus dem Rucksack holen ?«
Donna Parrish lächelte nur.
Kapitel 3
»Und ihr habt wirklich einen Zwischenstopp in Washington eingelegt ?« , fragte Michelle Prescott.
»Sag‘ ich doch«, antwortete Donna.
»Wenn mir das jemand anders erzählen würde, dann würde ich es nicht glauben. Doch bei dir, Donna, gehört das tatsächlich noch zu den kleinen Verrücktheiten .« Donna Parrish, Michelle Prescott und Anne Fisher saßen wie immer Mittwochabend in Raymond’s Diner am Memorial Drive. Bei dem Blick hinaus, durch eines der sechs großen Fenster, sahen sie im Schein der Straßenlaternen den still ruhenden Charles River. Raymond Sacco war Besitzer des Diners und zugleich großer Fan des Schriftstellers Raymond Chandler. In der Nähe der Kasse hing ein Original Plakat des Buchcovers von Chandlers Meisterwerks The Lady in the Lake . Er war stolz auf dieses seltene und teure Stück.
Nun war Anne an der Reihe. Michelle fragte Donna schon den ganzen Abend. »Erzähl, wie bist du überhaupt zu der Adresse des Liebesbrief-Absenders gekommen ?«
Donna rutschte auf der mit Kunstleder bezogenen Sitzbank hin und her. Ihre Jeans war beim Waschen eingelaufen. Sie kniff nun an manchen Stellen. Sie legte eine Pause ein, bevor sie kräftig durchatmete. Donna hatte in den letzten Minuten die Geschichte des Liebesbriefs erzählt.
Sie suchte einen Roman bei ihrem Internet-Buchhändler und fand unter den Kundenrezensionen einen Brief mit der Unterschrift T.
Sie hatte geweint, als sie ihn ausdruckte und nochmals las. Sie weinte innerlich in jeder Sekunde, in der sie an den Brief dachte. In einem Moment fand sie es nicht richtig, dass sie den Brief eines Fremden las und auch noch für sich ausdruckte, zumal er doch gar nicht für sie bestimmt war. Zum anderen dachte sie dann: Es ist Schicksal! Sie tat etwas, was ihr zehn Minuten später bereits wieder Leid tat.
Donna knüllte die Seiten des ausgedruckten Liebesbriefs zusammen und warf sie in den Papierkorb. Sie leerte diesen dann schnell in einen der großen Container vor dem Mietshaus. Jetzt fühlte sie sich wieder freier – aber nur für wenige Minuten. Sie musste einfach erfahren, wer sich hinter T. verbarg.
Sie hatte erst vor kurzem, zusammen mit Julia, Message in a Bottle auf DVD angesehen. Dort gelang es einer Journalistin einen in sich gekehrten, aber unendlich viel Liebe schenkenden Einsiedler ausfindig zu machen. Doch das war nur ein Film, der auf einem Roman beruhte. Aber ihr Brief war Wirklichkeit!
Donna ging zum Container vor dem Haus und stieg hinein. Sie suchte den zusammengeknüllten Liebesbrief, da dieser auf den Websites des Buchhändlers bereits wieder gelöscht worden war. Sie sah es als Wink des Schicksals an, dass sie genau zu diesem Zeitpunkt auf den Seiten des Internet-Buchhändlers war.
Die Nachbarn sahen sie bereits mit verächtlichen Blicken an, was sie denn im Müllcontainer suchte. Nach etwa zwanzig Minuten hatte sie den Brief wieder gefunden.
Donna sah Anne tief in die Augen.
»Über dem Liebesbrief stand eine E-Mail-Adresse –
[email protected]. Das war mein Glück. Ich tippte den Namen der Seite ein und war überrascht was ich las. Es handelte sich um einen Designershop in Washington, D.C.«
Die Bedienung mit rotem Rock schenkte den drei Freundinnen die vierte Tasse Kaffee ein. Anne hatte sich noch ein Stück Apple Pie bringen