Blätter treiben im Wind (German Edition)
zwar in die tiefste Provinz, sagte Evans. Irgendwo in den Wäldern von Vermont hat er sich ein Haus gekauft. Mehr wusste er leider auch nicht. Ich war betrübt«, sagte Donna, und zog dabei die Mundwinkel nach unten.
»Doch meine Julia war sehr eifrig. Sie brachte mich auf die Idee, einfach die Geschäftsleute der Louisiana Avenue abzuklappern, vielleicht hatte er ja noch was gekauft, bevor er abreiste, und hat es sich nachschicken lassen. Und tatsächlich, er hatte sich einen antiquarischen Schrank gekauft, den er per Spedition geliefert bekam. Die Geschäftsführerin, eine Dame über sechzig, sagte zuerst ... Tom Avellone? ... Vermont! ... und dann ... Mackville hieß der Ort!«
»Ja und, wo liegt Mackville?«, fragte Michelle.
Kapitel 4
Tränen standen in ihren Augen. Wie konnte ein Mann nur solch Gefühle zu Papier bringen? Anne schniefte, und ließ sich von Michelle den Brief wiederholt geben. Sie las ihn jetzt bereits zum vierten Mal.
Michelle weinte weder im Kino noch bei Romanen, doch bei diesem Brief vergoss auch sie Tränen. Er war so ehrlich ... nicht von einem Drehbuchautor geschrieben ... er verkörperte die wahrhaftige Liebe. Die drei Freundinnen saßen in Donnas Wohnzimmer. In der Mitte standen sich zwei Sofas mit blauem Stoffbezug gegenüber. Ein Holztisch, einige Regale und ein Schreibtisch – für den Computer – aus dem Versandhauskatalog komplettierten die Einrichtung. Donna hatte lange gespart, für diese einfache Einrichtung.
Michelle arbeitete in der Anwaltskanzlei ihres Vaters. Sie lebte und liebte den Luxus. Bei Donna fühlte sie sich immer zurückversetzt, in ihre Zeit an der Uni. Dort wohnte sie auch so.
Sie trauten ihren Augen nicht. Donnas Augen wurden feucht umrahmt. Weinte sie tatsächlich – vor ihnen!
Donna legte den ausgedruckten Liebesbrief auf den Couchtisch, neben die Vogue und die Sports . Sie begannen zu analysieren.
»Ich denke, der Brief gilt seiner großen Liebe, die er an einen anderen Mann verloren hat«, sagte Anne.
»Wenn du recht hast, Anne, dann ist sie, entschuldigt jetzt, ganz schön dumm. Man verlässt doch nicht solch einen gefühlvollen und so hoffnungslos romantischen Mann«, sagte Michelle und sah auf den Brief.
»Einen Streit hatten sie nicht, davon schreibt er zumindest nicht.«
»So kenne ich dich ja gar nicht. Stehst du plötzlich auf so viel Romantik?«, fragte Anne.
Michelle schlug die Beine übereinander. Sie sah elegant aus in ihrem Designerkostüm.
»Ich habe bis jetzt nur plumpe Anmachen von Männern über mich ergehen lassen müssen. Aber wenn mir ein Mann sagt, er liebt mich auch mit meinen vielen Fehlern, aber auch wegen meiner Stärken, dann würde ich zerfließen wie Honig.«
Donna hörte sich ihre Freundinnen an, wie sie versuchten hinter das Geheimnis von Tom Avellone zu kommen. Was war er nur für ein Mann? Was verbarg sich hinter den Zeilen des Liebesbriefes?
»Kinder, Kinder. Ihr redet von dem Mann, als ob er euch in Kürze die Kleider vom Leib reißen wird, und ihr dann ...«
Michelle lächelte. »Das wäre keine schlechte Idee. Aber, hören wir auf damit. Wenn ich die Frau wäre, und er würde mir jetzt noch mal eine Chance geben, würde ich sofort zu ihm zurückkehren ... er muss ein so liebenswürdiger Mensch sein.« Das so zog sie unendlich in die Länge.
Donna sah Michelle von unten herauf mit einem finsteren Gesichtsausdruck an. Sie spürte einen Funken springen. Einen Funken der Eifersucht. Was bist du nur für ein Dummchen!
Donnas Gesichtszüge hellten sich wieder auf.
»Da kann ich dir nicht widersprechen, Michelle. Wer solch zarte und einfühlsame Worte schreiben kann, die, wie unschwer zu erkennen ist, direkt aus dem Herzen kommen, der muss einfach ein liebenswürdiger Mensch sein ... ein liebenswürdiger Mann sein.«
Julia kam zur Wohnungstür herein. Sie trug ein T-Shirt mit dem Aufdruck einer Boygroup und Jeans. Sie sah glücklich aus.
»Hey Girls!«
Michelle und Anne begrüßten Donnas Tochter mit der üblichen Anrede.
»Hey Babydoll!« Sie hatten ihr den Namen gegeben, da ihr Gesicht so zart und unbescholten wie das einer Puppe war.
»Ich dachte, du bist mit Erica zusammen. Ihr wolltet doch bei ihr den Bericht über eure Chorsänger ansehen.« Donna nannte die Lieblingsgruppe ihrer Tochter Chorsänger , da sie nur fünf Jahre älter waren als Julia.
Erica wohnte einen Block weiter. Sie war Julias beste Freundin.
»Werd‘ ich auch, Mom. Wir waren nur gerade bei Justin. Der ist nämlich
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