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Blamage!

Blamage!

Titel: Blamage! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Saehrendt
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fassungslosen Reportern des US -Magazins Newsweek teilte er 1986 mit: »Ich bin von mehr Leuten gewählt worden als seinerzeit Hitler.« 44 Dies stimmte zweifellos (17,3 Mio. Hitler-Wähler im Jahr 1933; 19 Mio. Kohl-Wähler 1983), doch was wollte Kohl damit ausdrücken? Kohl-Hasser kürten den Pfälzer zum tolpatschigsten Kanzler der Nachkriegsgeschichte. Keiner seiner Vorgänger habe es so perfekt verstanden, so viele Pannen und Skandale aneinanderzureihen, Peinlichkeiten auszusitzen und zu verdrängen. Kohl erneuerte damit den Kult der Lächerlichkeit, den linke Medien seinerzeit mit dem Bundespräsidenten Heinrich Lübke betrieben hatten. Lübke war in den 1960er-Jahren durch zahlreiche Versprecher und Blackouts aufgefallen, wobei vieles, was noch heute über ihn berichtet wird, kolportiert oder gar frei erfunden worden war. Belegt ist allerdings, dass Lübke in Tananarive (heute Antananarivo), der Hauptstadt Madagaskars, das Präsidentenpaar namens Tsiranana mit den Worten »Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau Tananarive« grüßte, und später über das Land sagte: »Die Leute müssen ja auch mal lernen, dass sie sauber werden.« 45 (Am Ende seiner Amtszeit, das muss aus Gründen der Gerechtigkeit gesagt werden, kam allerdings heraus, dass eine Erkrankung für Lübkes Aussetzer verantwortlich war.) Kohl hingegen war einer der erfolgreichsten deutschen Nachkriegspolitiker und ging nicht wie Lübke als Witzfigur, sondern als honoriger »Kanzler der Einheit« in die Geschichte ein – vielleicht, weil er wie kaum ein anderer den Durchschnittsdeutschen repräsentierte und kein geschöntes, geglättetes, cooles Wunschbild. Helmut Kohl, das war der Antikaiser, der Antiwilhelm, der Antiheld schlechthin.

Kapitel 5
    Panorama der Peinlichkeiten III – total inkompetent
    Â»Die denken bestimmt jetzt, ich bin blöd!«
    Unbeholfen, ungeschickt, unfähig oder ungebildet sein – niemand setzt sich gerne diesem Verdacht aus. Fehltritte und Pannen im Job, Alltag oder Sport, Versagen bei Prüfungen – all das fällt unter den Begriff der »Kompetenzscham«. Allerdings gibt es auch auf diesem Feld eine ganze Menge dreiste Schamlosigkeit: Die TV -Schönheiten Verona Feldbusch und Daniela Katzenberger waren beispielsweise für ihre Bildungslücken und Grammatikschwächen bekannt – und gingen ganz offensiv damit um: Katzenberger lieferte selbstkritische Bonmots wie etwa: »Ich werde nie einen Intelligenztest machen, so schlau bin ich auch.« Und Veronas vermurkster Werbespruch »Da werden Sie geholfen« ist ja schon lange ein Klassiker.
    Bildungslücken sind heutzutage unvermeidlich – gerade in einer arbeitsteiligen Informations- und Wissensgesellschaft, die ständige Weiterbildung, Spezialisierung und lebenslanges Lernen verlangt. Unser Wissen baut sich in der Regel in konzentrischen Kreisen um unser Spezialgebiet auf. Meistens sind wir nur dort wirklich up to date, im angrenzenden Fachgebiet hinken wir vielleicht schon fünf Jahre zurück, in uns ganz fremden Wissensgebieten gar 30 oder 50 Jahre. Einen allgemein verbindlichen Bildungskanon gibt es kaum noch. So sind Bildungsblamagen unvermeidlich – gerade wenn es jemand gezielt darauf anlegt. Um Lücken oder Interessengebiete der anderen herauszufinden, operiert man gerne mit Anspielungen, mit kulturellen Codes, und nicht selten ist man versucht, die eigentlich unverstandenen Signale wissend lächelnd zu quittieren, als wüsste man Bescheid, als hätte man jenes Buch tatsächlich gelesen oder jenen Film wirklich gesehen, ängstlich bangend, ob nun etwa Details zur Sprache kämen, und die peinliche Lüge aufflöge.
    Im Job überfordert sein
    Blamabel, vor allem bei Führungskräften:
    â€¢ Überforderung oder Inkompetenz durch harten Führungsstil kompensieren
    â€¢ aus Unwissenheit fachliche Fehlentscheidungen treffen und dennoch beratungsresistent bleiben
    â€¢ den Posten offensichtlich durch Vetternwirtschaft, Frauenquotierung, »richtiges« Parteibuch erhalten haben (und es nicht wahrhaben wollen).
    Wer im Betrieb vor aller Augen versagt, ist schon hinreichend blamiert. Aber eine amerikanische Firma hatte es sogar zur fragwürdigen »Motivationsstrategie« gemacht, die Peinlichkeit auf die Spitze zu treiben: Ein kalifornischer Hersteller von Alarmanlagen hatte seine Verkaufsteams

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