Blanche - Die Versuchung
eingelassen, in dem ein munteres Feuer brannte. Davor stand Enzo, ein Glas Rotwein in der linken Hand, die Rechte steckte in der Hosentasche seines Businessanzugs von Valentino. Er rührte sich nicht, sondern betrachtete Blanche, beobachtete sie wie ein Wolf, der seine Beute in Augenschein nimmt, und dabei jedes Detail sorgfältig studiert. Sie bewegte sich ebenfalls nicht und so standen sie sich gegenüber wie bei einem Duell. Jäger unter sich.
Das einzige Hindernis zwischen ihnen bildete eine Stamford Sitzgruppe aus dunkelrotem Ochsenblut-Leder, die um einen flachen Chippendale Mahagonitisch gruppiert war. Trotz ihrer schweren Bewaffnung wirkte Enzo nicht im Mindesten beunruhigt. Sein Blick lag gelassen auf ihr, seine Haltung war entspannt. Das also war der Pate der französischen Metropole. Für seine Mädchen war er Onkel Enzo, für seine Männer der Boss. Sergej nannte ihn Spaghettifresser, aber so etwas sagte man dem Oberhaupt der italienischen Mafia in Paris besser nicht ins Gesicht. Wayne hatte ihn immer nur Enzo genannt, und so würde sie es ebenfalls halten. Er war nicht besonders groß, vielleicht eins siebzig. Dafür war er gebaut wie ein Ringer und wirkte aufmerksam und vital. Das schwarze Haar stand palisadengleich nach vorn ab, was seine dynamische Ausstrahlung unterstrich. Die einzige Trübung seiner aktiven Erscheinung war ein Bauchansatz, der sich unter dem maßgeschneiderten Jackett abzeichnete. Dunkelbraune Augen betrachteten sie wachsam, während sie versuchte, ihn einzuschätzen. Er tat dasselbe, aber im Gegensatz zu ihr schien er sich schneller ein Bild gemacht zu haben. Er unterbrach die Stille, indem er betont langsam seine Hand aus der Hosentasche zog und auf die Ledercouch deutete.
„Bitte nimm Platz, Blanche.“
„Nur keine Umstände“, bemerkte sie, ohne ihn aus den Augen zu lassen.
Enzo schwenkte mit einer eleganten Bewegung sein Weinglas und betrachtete die Schlieren am Glasrand. „Dann hat es wohl keinen Zweck, dir etwas anzubieten?“
„Du weißt, warum ich hier bin.“ Ihr war klar, dass sie unhöflich klang, aber das war ihr egal. Ungeduldig trat sie einen Schritt vor. „Also spiel keine Spielchen mit mir. Ich brauche für einige Wochen ein Haus. Jetzt sag mir, was du dafür verlangst, damit ich so schnell wie möglich von hier verschwinden kann.“
„Ist dir möglicherweise der Gedanke gekommen, dass es eine Ehre ist, von mir in mein Allerheiligstes eingeladen zu werden?“
Blanche streckte einen Zeigefinger nach ihm aus und trat einen weiteren Schritt auf ihn zu. „Komm mir nicht so! Ich bin keine deiner beschissenen Zuhälter, denen du deine schrägen Wertvorstellungen aufdrücken kannst.“
„Damit hast du zweifellos recht. Du bist einer meiner Killer.“
„Ich gehöre dir nicht. Du kannst mich nicht anrufen und hier antanzen lassen, als wärst du mein Boss.“
Ihre Wut schien ihn zu amüsieren. Er versuchte, ein Lächeln zu kaschieren, indem er einen Schluck Rotwein trank. Danach sah er sie verbindlich an. „Meine liebe Blanche, falls du dich erinnern möchtest, warst du diejenige, die mich angerufen hat.“
Wo er recht hatte …
„Darüber hinaus hast du mich um einen Gefallen gebeten und ich sagte dir, dass ich darüber nachdenken müsste. Es ist nämlich nicht so, dass in einer Stadt wie Paris, in der Wohnraum Mangelware ist, viele Gebäude leer stehen. Darum dachte ich, dies wäre eine gute Gelegenheit, uns einmal persönlich kennenzulernen, um dein Problem in Ruhe zu besprechen.“ Enzo stellte das Glas auf dem Kaminsims ab und trat nun ebenfalls auf sie zu. „Denn genau wie du bin ich nicht in der Position, zu springen, wenn jemand anruft und mich um Hilfe bittet. Noch dazu jemand, den ich nicht kenne, und der mir bisher nicht den geringsten Respekt entgegengebracht hat.“ Seine rechte Hand wanderte zurück in die Hosentasche. „Nenn mich eitel, aber ich habe mir in den letzten zwanzig Jahren eine Position erarbeitet, in der ich bestimmte Dinge nicht mehr nötig habe, wenn du verstehst, was ich meine.“
Du mich auch. Sie wusste von Enzos leer stehenden Lagerhäusern und ungenutzten Hallen, für die er vorübergehend keine Verwendung hatte, weil sie ins Visier der Ermittler geraten waren. Was er hier abzog, war nichts weiter als ein Wettbewerb im Weitpinkeln. Er steckte sein Territorium ab und sie war ihm auf die Füße getreten. Dafür würde er sie demütigen, weil er sehen wollte, wie sie den Kopf neigte und ihn als Big Boss
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