Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blanche - Die Versuchung

Blanche - Die Versuchung

Titel: Blanche - Die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Christo
Vom Netzwerk:
schlimm war das doch nicht. Bezahlen würde sie später, wenn sie sich in Sicherheit wähnte.
    „Weißt du, dein Besuch kommt nicht ungelegen“, begann er im Plauderton und bestätigte ihre Vermutung. „Heute ist ein besonderer Gast angekommen, der sich in Paris nicht auskennt.“ Er nahm einen weiteren Schluck. „Würde es dir etwas ausmachen, dich für ein paar Tage um ihn zu kümmern? Ihn herumführen und ihm alles zeigen? Ich lege Wert darauf, dass er sich wohlfühlt.“
    Blanche erbleichte. Wie war das? Sie konnte nicht fassen, worum er sie soeben gebeten hatte. „Hast du nicht genug Schlampen auf der Straße, dass du mich mit diesem Müll vollquatschst?“, zischte sie und trat auf ihn zu. „Frag mich nie wieder so einen Dreck, es sei denn, du legst Wert darauf, dass ich erst dich und danach deinen Gast von eurem besten Stück trenne, kapiert?“ Scheiß auf das Haus, dieser Mist endete hier und jetzt. Sie wollte auf dem Absatz kehrtmachen, als ein leises Lachen sie mit gezogener Waffe zur Tür wirbeln ließ.
    „Du wirst dich wohl nie ändern, mignonne.”
    Beinahe wäre ihr die SIG aus der Hand gefallen. Ein kühler Luftzug wehte durch den Raum und ließ sie einen Schritt zurücktaumeln.
    „M-Marcel?“
    Ihr Herz setzte einen Schlag aus. Im Eingang zur Bibliothek stand Marcel Wyss, für den sie in Lausanne als Türsteherin seines Edelclubs gearbeitet hatte. Der Mann, der die Trennung von Wayne erträglich gemacht, und bei dem sie bis vor Kurzem gelebt hatte. Der sie im ersten Jahr bei den Eidgenossen wie ein Raubtier umkreist, bis er schließlich ihre Abwehr durchbrochen, und Stück für Stück ihren Panzer aus Eis und Zorn abgenommen hatte. Seine Geduld wurde am Ende belohnt. Marcel hatte sich ihr Vertrauen verdient, und es gab nicht viele Menschen, denen sie vertraute. Genau genommen waren es drei. Wayne gehörte dazu, der andere war Andrej gewesen, der sich um sie gekümmert hatte, als sie noch auf der Straße lebte. Beide waren tot. Der Dritte war Beliar, wobei sie nicht sicher war, wie weit ihr Vertrauen reichte.
    Die Sache mit Marcel war sogar noch komplizierter, denn er war buchstäblich der erste Mann in ihrem Leben gewesen, der einzige vor ihrem Dämon. Und nun stand er vor ihr und sah sie aus diesen hellbraunen Augen an, die im Schein der Flammen wie das Zeug schimmerten, das sie eben hinuntergestürzt hatte. Sein dunkelblondes Haar, das er jetzt etwas länger trug, hatte er nach hinten gekämmt. Mit seinem durchtrainierten Körper hätte er auf den ersten Blick als Schönling durchgehen können, wären da nicht die gebrochene Nase und das eckige Kinn. Beides wirkte wie eine Warnung, denn sie verliehen ihm einen Hauch von Brutalität, etwas, das in seiner Branche unbezahlbar war. Blanche hätte es niemals zugegeben, aber das kleine Grübchen, das sein Kinn spaltete, war der eigentliche Grund, warum sie am Ende nachgab, und in seinem Bett gelandet war.
    Es war eine gute Zeit gewesen, und vielleicht wären sie noch zusammen, wäre Wayne nicht ermordet worden. Nach Leos Anruf hatte sie wie in Trance ihren Seesack gepackt und war Hals über Kopf nach Paris aufgebrochen, ohne sich von Marcel zu verabschieden. Ohne Erklärung, ohne ein Wort.
    Ausgerechnet jetzt tauchte er bei Enzo auf und durchbohrte sie mit seinem Bernsteinblick. Sie schluckte hart. Erst Tchort, dann Camille und nun Marcel. Was kam als Nächstes?
    Mein lieber Freud, ich glaube, du kennst Blanche, n’est-ce pas?“, durchbrach Enzo die Schockwellen, die sie durchfluteten.
    Als sie nicht reagierte, trat er zwischen sie und Marcel und beendete den Blickkontakt. Sie blinzelte.
    „Ich habe noch etwas Geschäftliches mit unserer Freundin zu besprechen. Ihr werdet später Gelegenheit haben, euch zu unterhalten, nicht wahr, Blanche?“
    Marcel beachtete ihn nicht. Ohne sie aus den Augen zu lassen, trat er zu ihr, ergriff ihre eisigen Hände und küsste sie auf beide Wangen. „Blanche, mon petite“, hauchte er. „Ich bin sehr erleichtert, dich zu sehen.“ Behutsam strich er ihr eine Strähne hinters Ohr. „Ich habe mir Sorgen um dich gemacht. Geht es dir gut?“ Nachdem sie ein knappes Nicken zustande brachte ergänzte er: „Wir müssen reden, meinst du nicht auch?“
    Und wie sie das mussten. Da sie ihrer Stimme nicht traute, nickte sie abermals. Das schien ihn zu beruhigen, denn der harte Zug um seinen Mund entspannte sich.
    Nachdem er mit einem letzten Blick ihr Herz kurz aussetzen ließ, trat er zurück und nickte Enzo höflich

Weitere Kostenlose Bücher