Blanche - Die Versuchung
dich in mein Haus ein und alles, was ich von dir bekomme, ist Verachtung. Als wäre meine Art, meinen Lebensunterhalt zu verdienen, schlechter als deine. Du bist ein Killer und beendest Leben gegen Bargeld. Mache ich dir deswegen Vorhaltungen? Certamente non! Ich habe in meinem ganzen Leben niemanden umgebracht, also wer von uns ist der größere Kriminelle?“
Sie hob spöttisch einen Mundwinkel und ahmte Beliar nach. Niemand konnte so cool seine Geringschätzung ausdrücken wie er. Aber sie arbeitete daran. „Dann solltest du froh sein, dass es Profis wie mich gibt, die dir die Drecksarbeit abnehmen. Ich töte für Geld, aber ich treibe keine Zwölfjährigen in die Arme von Perversen, die sie benutzen, bis sie irgendwann vor die Hunde gehen.“ Sie trat einen Schritt vor und streckte ihren Zeigefinger aus, als ob sie ihm damit gegen die Brust tippen wollte. „Ich verkaufe ihnen keine Rauschmittel, die sie einwerfen, weil sie ihre Realität nicht mehr ertragen können, das Leben, das du ihnen als großen Traum vom schnellen Geld verkauft hast.“ Ihr spöttisches Lächeln wurde sibirisch, während sie ihn mit ihrem Blick aufspießte. „Ich verdiene meinen Lebensunterhalt, indem ich dafür arbeite, während du Kinder mit einem Tritt in die Gosse beförderst, wo sie für dich anschaffen müssen. Du erpresst Geschäftsleute, damit sie dir Schutz für eine Bedrohung zahlen, die erst durch Leute wie dich entstanden ist. Und wenn sie nicht bezahlen, vernichtest du ihr Lebenswerk, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, was aus ihnen und ihren Familien wird. Du zerstörst, was andere aufgebaut haben. Du erschaffst nichts eigenes, sondern richtest andere zugrunde.“ Blanche schnaubte abfällig. „Und dafür erwartest du Respekt? Vielleicht gehöre ich zum Abschaum wie du. Aber zumindest töte ich meine Beute schnell und schmerzlos. Du dagegen vergiftest sie über Jahre, quälst und zerbrichst sie, bis sie …“
„Das reicht!“ Enzos Kopf hatte die Farbe roter Peperoni angenommen. Eine Ader an seiner Schläfe pochte so heftig, dass es aussah, als würde sie jeden Augenblick platzen. „Ich schütze meine Mädchen besser als jeder meiner Vorgänger. Ich überrede sie zu nichts, sie kommen zu mir! Wenn ich sie nicht unter meinen Schutz stelle, würden sie in Sergejs Klauen landen – hältst du das für die bessere Alternative?“
Sicher nicht. Der Sankt Peterburger war für seine Skrupellosigkeit bekannt. Wobei die Vergewaltigungen von Kindern in Snuff-Filmen noch zu seinen harmlosesten Hobbys gehörten.
„Bei mir arbeiten auch keine Zwölfjährige. Keines meiner Mädchen ist jünger als Vierzehn, capito?“
„Das träumst du doch nur“, blaffte sie.
Enzo machte eine Bewegung, als wollte er eine Fliege verscheuchen. „Ich kann mich nicht um alles kümmern. Das war einmal Pierres Aufgabe, jetzt ist Giacomo dafür zuständig. Es wird eine Weile dauern, bis er die Ordnung in diesem Bereich wiederhergestellt hat.“
Was die Untertreibung des Jahres war. Es würde länger als eine Weile dauern, denn Pierre hatte sich jahrelang um nichts gekümmert und einen riesigen Sauhaufen hinterlassen. Erst als er damit anfing, die Russen in seinem Bezirk zu dulden, war Enzo der Kragen geplatzt. Wie es seinen Mädchen ergangen war, hatte den Oberboss bis dahin herzlich wenig interessiert.
Enzo leerte das Weinglas. Dann zog er ein Mobiltelefon aus der Innentasche des Jacketts und sprach in schnellem Italienisch mit einem seiner Männer. Zumindest vermutete sie das, denn wer, wenn nicht seine Jungs, würde sich diesen Befehlston gefallen lassen? Plötzlich hielt er kurz inne.
„Ich lasse die Kinder abholen. Wo befinden sie sich?“
Blanche gab ihm die Adresse und das Codewort durch und fühlte sich mit einem Mal müde. Hoffentlich tat sie das Richtige.
Beliar verankerte den Schutz um das Haus, das Blanche ihm in Gedanken gezeigt hatte. Ein heruntergekommenes Warenlager gegenüber einer Kirche. Der Schild war ein Kinderspiel, denn im Schatten des Gotteshauses wäre das Gebäude für Saetan ohnehin kaum auszumachen. Würden sie sich auf geweihten Boden begeben, bräuchten sie überhaupt keinen Schutz, zumindest nicht vor Dämonen. Selbst er, der er die Macht eines Erzdämons in sich trug, konnte keine Kapelle betreten, nicht einmal einen Friedhof. Aber galt das auch für den Schwarzen Gott?
Dass Saetan hinter den Kindern her war, wusste er schon lange. Halbdämonen waren selten und verfügten über Kräfte,
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