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Blanche - Die Versuchung

Blanche - Die Versuchung

Titel: Blanche - Die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Christo
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Himmels lautete, dass man Gottes Schöpfung keinen Schaden zufügen durfte. Nicht zum ersten Mal hatte er den Seelenplan eines Menschen gemäß seiner eigenen Wünsche und Vorstellungen geändert und in die göttlichen Ordnung eingegriffen. Æywyns Leben hätte einen anderen Lauf nehmen sollen, genau wie das der getöteten Soldaten oder des Fürsten. Letzterer war ein besserer Kriegsherr als Gatte gewesen. Sein Dahinsiechen schwächte das Land und zog Plünderer an, ein Fakt, der viele Menschen das Leben kosten sollte. Heute kannte er sich mit dem Prinzip von Ursache und Wirkung aus, damals nicht.
    Mit seinem Fall aus den Reihen der Lichtbringer hatte er nicht nur die Schwingen, sondern auch seine Kräfte verloren. Was ihm blieb, war eine Aura, die ihm den Weg ebnete.
    In Gedanken schüttelte er den Kopf. Was war er für ein Narr gewesen. Wie gern würde er dem Kerl von damals ins Gewissen reden. Zu jener Zeit war er so sehr in der materiellen Welt verstrickt gewesen, dass er das große Ganze aus den Augen verloren hatte. In einem Anfall von Größenwahn änderte er den Lebensplan, auf den sich jede Seele vor ihrer Inkarnation geeinigt hatte. Die Erfahrung, deretwegen sie auf die Erde kam, wurde durch sein unbedachtes Einschreiten vereitelt.
    Um in Æywyns Nähe zu bleiben, heuerte er auf dem Schloss als Söldner an und machte ihr den Hof. Im darauf folgenden Jahr heirateten sie. Nachdem er in ihr Leben getreten war, schien sie sich zu erholen. Er ermutigte sie, ihre Gedanken mit ihm zu teilen. Ihre Wünsche. Ihre Träume. An dem Tag, als sie wieder zu singen begann, war er sich sicher, dass sie sich vollständig erholen würde. Doch als sich ihre Schwester das Leben nahm und sie damit ihr Recht auf ein christliches Begräbnis verwirkte, gab das Æywyn den Rest. Nach diesem Vorfall war die Frau, die er so sehr liebte, nicht mehr sie selbst. Das Feuer ihrer Augen versiegte, es schien, als wäre alle Kraft aus ihr gewichen.
    Ein letztes Mal sang sie am Grab ihrer Schwester, außerhalb der Stadtmauern, und die Vögel verstummten. Lauschten ihrer kristallklaren Stimme, die niemanden unberührt ließ.
    Danach sang sie nie wieder.
    Beliar war jetzt ein Sterblicher, doch er tat, was in seinen Kräften stand, um sie glücklich zu machen. Er arbeitete sich nach oben und er arbeitete hart. Kurz nach der Eheschließung wurde er stellvertretender Kommandant der Schlosswache. Sieben Monate später fiel der Befehlshaber bei der Verteidigung des Haupttors, und Beliar nahm seinen Platz ein. Eine kleine Sensation, wenn man bedachte, dass er keine adelige Abstammung vorzuweisen hatte. Er war nicht mal ein Bastard des Fürsten, der sich nur langsam von seiner Verletzung erholte.
    Die Jahre verstrichen, und obwohl er ein Ziel nach dem nächsten erreichte, fand er keinen Frieden auf der Erde. Er wusste, dass Æywyn sich nach einer Familie sehnte, doch sie, die immer stark gewesen war, wurde mit jedem Tag schwächer. Krankheiten wechselten sich ab, bis schließlich eine Lungenentzündung sie ans Bett fesselte.
    Die Erinnerung an seine Hilflosigkeit brannte Löcher in seine Eingeweide. Damals verfluchte er Gott, für den es ein Leichtes gewesen wäre, sie zu heilen. Zu Zeiten, als er noch Lichtbringer war, hätte er sie innerhalb eines Wimpernschlags kurieren können. Nun musste er mit ansehen, wie das Licht seines Lebens nach und nach erlosch. Dennoch blieb er nicht untätig. Er ließ die bedeutendsten Heiler aus Wessex, Wales und Northhumbia kommen, schleifte sie, wenn nötig, eigenhändig aufs Schloss. Doch es half nichts.
    Wie durch einen Nebel aus Trauer und Schmerz sah er sich am Schluss weinend vor ihrem Bett knien und zu einem Gott beten, der ihn verlassen hatte.
    Als Æywyn starb, brach ihr Tod etwas Verkrustetes in ihm auf. Etwas, das latent immer vorhanden und vielleicht auch Schuld an seiner Erbarmungslosigkeit war. Der unerträgliche Schmerz über den Verlust seiner geliebten Frau ähnelte einem zweiten Herzen, das zu schlagen begann, nachdem sein menschlicher Puls mit Æywyns letztem Atemzug zum Erliegen kam. Es pumpte Verzweiflung durch seine Adern, die sich wie Gift in ihm ausbreitete und ihn zu versengen drohte. Zum ersten Mal spürte er das alles verzehrende Feuer von zügellosem Hass.
    Und es fühlte sich gut an.
    Er fand ein Ventil dafür, indem er sich Ælfreds Armee anschloss, und alles niedermetzelte, das in Reichweite seiner Klinge kam. Nach einer Schlacht ging es ihm besser, doch die Wirkung hielt nicht lange an.

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