Blankes Entsetzen
oder in die der Kinder kommen sollst …«
Sie verstummte, weil ihr schwindelig war.
»Lizzie?« Er machte einen Schritt auf sie zu. »Geht es dir gut?«
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»Wag es ja nicht, in meine Nähe zu kommen!«, fauchte sie ihn an. »Natürlich geht es mir nicht gut, du verdammter Idiot.« Sie sah ihn wieder an. »Nicht weil jemand dich zu Brei geschlagen hat – ich wünsche mir, er hätte gründlichere Arbeit geleistet.«
»Das meinst du doch nicht ernst.« Christopher sank wieder aufs Sofa.
»Jack liegt im Krankenhaus.«
»Ich weiß.«
»Nicht in Windsor. Im Hammersmith.« Lizzie stand auf, ging zum Kamin und streckte die Hand aus, um sich am Sims abzustützen. »Du wüsstest das, wenn du nicht …« Sie schüttelte den Kopf.
»Warum wurde Jack verlegt?« Christophers Stimme hinter ihr klang jetzt schärfer. »Was ist passiert, Lizzie?«
Sie drehte sich langsam um, sah das Entsetzen in seinem Gesicht, das um die blauen Flecken herum kalkweiß geworden war. Sie wusste, dass zumindest seine Angst echt war. »Keine Panik«, sagte sie. »Seine Atemprobleme sind ein bisschen schlimmer geworden, aber es ist noch nicht ernst. Die Ärzte waren besorgt, sie könnten der Sache nicht gewachsen sein, falls sein Zustand sich verschlechtert, und ich habe mich für das Hammersmith entschieden, weil du hier warst.«
»Und warum bist du jetzt nicht bei ihm?«, fragte er.
Ihre Wut kehrte mit voller Wucht zurück. »Weil Jack nicht wollte, dass ich bleibe«, sagte sie kalt. »Er will nicht, dass die Leute ihn für ein Kleinkind halten.« Mit der Wut kehrte ihre Kraft zurück. »Er sagte, du würdest das verstehen, wenn du da wärst.«
Christopher wollte wieder aufstehen, verharrte jedoch mitten in der Bewegung. »Er darf mich so nicht sehen. O Gott, was habe ich getan?« Seine Augen füllten sich mit Tränen. »Lizzie, was tun wir jetzt? Du kannst es ihm nicht sagen, du kannst 368
nicht.«
»Ich habe nicht die Absicht, es Jack zu sagen, und auch nicht Edward und Sophie.«
»Lizzie, bitte.«
»Und offensichtlich ist jetzt auch nicht der richtige Zeitpunkt, um eine Trennung oder Scheidung zu diskutieren.«
Christopher drückte die Hände vors Gesicht und fing an zu weinen.
»Um Himmels willen«, sagte Lizzie angewidert.
»Dein zehnjähriger Sohn hat tausendmal mehr Mut als du.«
Christophers Gesicht tauchte tränenüberströmt aus seinen Händen auf. »Ich wusste, dass du das vorhast«, sagte er, immer noch weinend. »Ich wusste es von dem Moment an, als Alicia mir sagte, jemand habe in unserem Computersystem
herumgeschnüffelt, in meinen Dateien.«
»Ich habe keine Ahnung, was du redest«, sagte Lizzie, »und es ist mir auch egal.« Sie atmete tief ein. »Ich wollte Tee machen, aber ich glaube, ich verdiene jetzt etwas Stärkeres.« Sie senkte den Blick zur Flasche auf dem Teppich. »Falls du etwas übrig gelassen hast.«
Er antwortete nicht. Lizzie ging zum Schrank und schenkte sich einen Fingerbreit Glenfiddich ein; mehr könnte schon zu viel für sie sein, und sie musste bei Verstand bleiben, falls das Krankenhaus anrief.
»Brauchst du einen Arzt?«, fragte sie ihn abrupt, dann nahm sie den ersten Schluck und spürte, wie er sie ein klein wenig stärkte.
»Nein«, sagte er. »Es ist nichts gebrochen.«
»Dann kannst du jetzt ebenso gut ins Bett gehen, meinst du nicht?«
»Was ist mit Jack?«, fragte er, wieder mit dieser klagenden Stimme.
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»Ich rufe gleich im Krankenhaus an und frag nach. Mit ein bisschen Glück schläft er, dann brauchst du dir keine Ausrede einfallen zu lassen, warum du nicht mit ihm sprichst.«
»Ich kann doch wohl mit ihm sprechen?« Gekränkt hob er den Kopf.
»Nicht bevor du ausgenüchtert bist und wieder wie du selbst klingst«, sagte Lizzie. »Und leg einen Verband auf, sobald du wieder zu ihm kannst.«
»Lizzie«, sagte Christopher. »Es tut mir sehr Leid.«
Sie trank noch einen Schluck Whiskey und blickte auf ihn hinunter.
»Scher dich zum Teufel, Christopher«, sagte sie.
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82.
ls Clare ihrem Mann morgens sagte, sie wolle sich den A Tag freinehmen, reagierte er überrascht und besorgt; bevor er ging, fragte er sie noch einmal, ob sie sicher sei, dass sie sich wohl fühle, ob sie einen Arzt brauche oder er bei ihr bleiben solle.
»Ja, nein und nein«, antwortete sie. »Mir ist einfach nur danach, mir einen freien Tag zu nehmen. Ist es nicht genau das, wozu du mich die ganze Zeit drängst?«
Damit hatte sie natürlich Recht, also tat er, was sie ihm gesagt hatte,
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