Blanks Zufall: Roman
einmal seine Hand auf meinen rechten Unterarm. So vertraulich, als wäre ich ein alter Freund und er müsste mir jetzt noch etwas sehr Wichtiges und vor allem Intimes mitteilen. Er sagte mit derselben ernsten und doch irgendwie schelmischen Miene wie immer:
„Richten Sie Blank bitte etwas von mir aus. Es scheint wichtig zu sein, sonst würde ich das jetzt nicht sagen. Blank soll eine Münze werfen.“ Ich muss ihn wohl ratlos angesehen haben, denn dann fügte er hinzu: „Es kann nicht sein, dass Blank sich immer auf das Schicksal verlässt. Eine Münze soll entscheiden. Wenn er Fragen über die Pik Dame hat, zum Beispiel, dann soll er eine Münze werfen.“
Ich habe keine Ahnung, was er damit gemeint hat. Weißt du es, Blank? Ich meine, ist er nun ein Mentalist oder kann er wirklich Gedanken lesen? Aber du warst ja nichtmal da. Vielleicht ist das alles nur Nonsense, aber wie er das betonte, 'Queen of Spades', als würde er von einer Frau sprechen, in die er verliebt ist. Ich weiß auch nicht. Ich spinne, aber das bist du ja gewohnt von mir.
So, das ist die Geschichte zu deiner Widmung. Nur das Beste wünsche ich dir, Blank. Und sorry, Alter, dass ich vor dir in einer Show von Damon Black war. Du hättest dabei sein müssen. Aber vielleicht gibt es ja ein nächstes Mal.
Bis Bald.
Henning.
Marcus muss lächeln. Er weiß nicht, warum ihm danach zu Mute ist, ihm war seit Stunden nicht danach, aber Hennings Brief lässt ihn gelöst grinsen, pure Freude. Er schlägt das Buch von Damon Black auf (was er bisher noch nicht tat) und liest die Widmung auf der ersten Seite. In einer sehr verwobenen Schrift, kurz vor der Unlesbarkeit, steht dort:
For my dedicated apprentice Blank
Thanks for sticking with me and my idiocy
Cheers, Damon Black
Thank you , denkt Marcus, grinst breiter wegen Damon Blacks Selbstironie und schaut noch eine Weile auf die Widmung. Sechszehn Worte geschrieben von seinem Idol, an ihn gerichtet, obwohl sie sich nicht kennen.
Widmungen sind seltsam, denkt Marcus, sie geben ein mittelbares Gefühl ohne mittelbar sein zu können. Worte bleiben auf Papier nur blaue oder schwarze oder andersfarbige Kritzeleien. Wir Menschen lesen daraus, ja, aber ohne ihrem Sinn bleibt nicht viel zurück. Dasselbe mit Hennings Brief. Worte auf Papier. Wer sie zu dekodieren vermag, kann sich glücklich schätzen, weil er Geheimnisse entschüsselt. Schade, denkt Marcus, dass keiner (oder wenige) sie als Geheimnisse betrachten. Für die meisten sind sie einfache Werkzeuge des Alltags.
Es sind die nicht ausgeschriebenen Dinge, die noch mehr Bedeutung haben. Henning hat von der 'Queen of Spades' geschrieben, der Pik Dame, die Anna war. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, denkt Marcus, dass Damon Black aus den zweiundfünfzig Karten eines Decks genau diejenige heraus findet, die ihn zurzeit so beschäftigt? Vor allem, wenn das Treffen über einen Monat zuvor stattfand. Und warum nennt Damon Black ihn in seiner Widmung 'apprentice', also Lehrling? Jeder andere hätte vermutlich 'Fan' geschrieben.
Das ist der Grund, warum er so grinst, gar nicht anders kann als zu grinsen. In diesen Worten, dem Brief und der Widmung, meint Marcus den (ersten) Beweis gefunden zu haben, dass Damon Black tatsächlich übernatürliche Kräfte besitzt (was Damon Black widerlegen würde mit dem Argument, dass stets nur jene 'Beweise' berücksichtigt werden, die eine Theorie bestätigen sollen; alle Fakten, die dagegen sprechen, ignoriert das Gehirn von vorn herein, in diesem Fall Marcus' Gehirn; ein typischer Prozess, wie Damon Black in seinem ersten Buch schrieb, der bei Gläubigen stattfindet).
Marcus hat Lust, einen Joint zu rauchen. Nicht, weil er es vermisst, aber weil er es braucht. Er denkt, er könnte endlich schlafen, wenn er wieder einen raucht. Er hat schon einen Tag durchgehalten, das zeigt doch, dass er aufhören kann. Aber seine innere Stimme, die ihn von Anna weglaufen ließ, ist auch hier präsent und warnt lautstark. Marcus wird Karsten nicht anrufen. Wie einfach es wäre, denkt er, zum Hörer greifen, es ist noch nicht zu spät, und kurz zu Karsten fahren, auf dem Rückweg Blättchen und Tabak besorgen, wieder zurück auf das Sofa und einen brennenden Joint zwischen den Lippen, endlich betäuben, endlich Watte im Kopf, die ihn nicht mehr unruhig im Bett wälzen lässt. Idiot, denkt er, du bist ein Vollidiot, und er geht in die Küche, setzt sich Wasser für Tee auf.
MARCUS KOMMT FRISCH geduscht aus dem
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