Blanks Zufall: Roman
Badezimmer, nur ein Handtuch um die Hüften gewickelt, als Anna seine Wohnungstür aufschließt und in den Flur tritt. Sie stehen sich sprachlos gegenüber, beide lächeln ob der Absurdität. Dieser kurze Blick erinnert an die ersten Momente mit ihr. Als wäre alles vergessen und nichts vorgefallen. Für einen Moment wünscht sich Marcus das, ihre Beziehung intakt und ohne dunkle Schatten.
„Hi“, sagt sie atemlos und schließt die Tür. Annas Blick bleibt auf seinem Handtuch haften, als hoffte sie auf eine Erektion, die sich darunter abzeichnet. Ein Zeichen seiner Freude, dass sie vorbei schaut.
„Hi“, erwidert er.
Anna zieht ihre Schuhe aus und stellt sie neben seine.
„Darf ich?“ fragt sie dann und zieht ihre Jacke ebenfalls aus.
„Bist doch schon dabei.“
„Ich hab nichts zu rauchen mitgebracht.“
„Das ist gut.“
„Du hast dein Piercing rausgenommen.“
„Ja.“
„Sieht komisch aus.“
„Ich find's besser“, erwidert er.
„Wollen wir reden?“
„Im Wohnzimmer“, sagt Marcus und öffnet die Tür neben sich.
„Ich habe die ganze Zeit versucht dich zu erreichen, aber das weißt du ja. Und ich wollte den Schlüssel eigentlich nicht benutzen. Aber, weißt du, ich kann nicht mehr. Du hast mich einfach so nach Hause geschickt, ohne zu sagen, was Sache ist.“
Sie sitzen so wie vor zwei Tagen, Anna auf dem Sofa, Marcus auf dem Sessel. Er würde sich gerne anziehen, seine Kleidung liegt auf dem Boden neben ihm, aber er will nicht mehr nackt vor ihr sein. Diese Intimität möchte er nicht mehr teilen. Wenn er an Anna denkt, dann weiß er, dass Schluss ist, dann hat er mit der Beziehung abgeschlossen, nach zwei nüchternen Tagen erst recht. Marcus weiß nicht, wie es weiter geht, was er wirklich will, aber er weiß, was er nicht will und das ist Anna. Jetzt muss er es ihr sagen (und wenn er mutig ist, dann gibt er zu, dass er damit rechnete, dass Anna kommt, früher oder später, irgendwann musste es sein).
„Es ist aus, Anna.“
„Ich weiß“, sagt sie und in ihrem Gesicht, das nur erfrischt und wach wirkt, weil sie sich stark geschminkt hat, funkeln ihre Augen feucht. „Ich meine, das habe ich mir gedacht. So wie du dich verhalten hast. Nur ich weiß nicht, wieso. Habe ich irgendwas falsch gemacht? Es lief doch, oder nicht?“
Willst du die Wahrheit?, denkt Marcus. Ja, sie will die Wahrheit, auch wenn sie noch nicht weiß, wie sehr sie weh tut, die bittere Süße. Marcus seufzt, auch seine Augen sind feucht, die nassen Haare liegen kalt auf seinen Schultern, er friert etwas, aber er will sich noch immer nicht anziehen.
„Nein, Anna, es lief nicht.“ Anna schluchzt. „Wir haben beide was falsch gemacht.“
„Sehe ich nicht so.“ Dann schluckt sie schwer.
„Siehst du nicht, Anna? Siehst du nicht, dass wir uns nur bekifft haben? Dass wir jeden Tag nur rumgehangen haben, nichts mehr gemacht, und aus lauter Langeweile haben wir angefangen, uns weh zu tun.“
Anna sagt nichts, Tränen verirren sich über ihre Wangen. Marcus hat recht, und sie weiß es, sie weiß alles und will nur nicht verstehen.
„Aber wir können uns doch ändern, oder nicht?“
Marcus sagt nichts.
„Blank?“ fragt sie nach einer Pause. Ihre Stimme so sanft, so verletzlich, wie er es noch nicht aus ihrem Mund hörte. All die Aggression, all die Benommenheit, alles vergangen in der Angst, ihn zu verlieren.
„Ich brauche Zeit, Anna.“
Sie stützt ihr Gesicht in beide Hände und schluchzt laut. Kurz nur zuckt ihr Oberkörper vom Weinen. Marcus widersteht dem Impuls ihr seine Hand auf die Schulter zu legen, sie in den Arm zu nehmen und zu flüstern „alles wird gut“, denn so etwas weiß er nicht.
„Hast du eine andere?“ fragt sie dann, den Blick zu Boden gerichtet.
„Nein.“
„Seit wann weißt du es? Ich meine, wann bist du darauf gekommen, dass du Zeit brauchst, und dass du dich mit mir langweilst?“
Marcus bleibt zu sagen, dass er sich nicht mit ihr langweilt, sondern mit sich selbst, aber machte das einen Unterschied? Im Grunde ist es die Wahrheit, auch wenn er sich nicht vorstellen kann, eine andere Frau kennen lernen zu wollen. Anna ist die Eine, sie war es.
„Keine Ahnung“, sagt er, „Vor ein paar Wochen fing es an, glaub ich. Aber ich habe nichts gesagt, weil ich dachte, es geht vorüber, weißt du?“
„Aber warum vorgestern? Warum gerade jetzt? Du hast am Samstag Geburtstag.“
Dieser Moment ist genauso gut wie der andere, oder nicht? Gibt es den richtigen Moment
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