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Blanks Zufall: Roman

Blanks Zufall: Roman

Titel: Blanks Zufall: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Sidjani
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möchte doch gerne am nächsten Tag für eine weitere und ausführlichere Befragung zur Verfügung stehen, fügte der Polizist noch hinzu, bevor der Krankenwagen weg fuhr. Herr Markus gab Marcus seinen Personalausweis zurück und lächelte mitleidig. „Es gibt nicht viele Zeugen, die direkt dabei waren. Darum ist ihre Aussage so wichtig. Oder kommen Sie am Montag“, fügte er hinzu, als erinnerte er auf einmal Marcus' Geburtsdatum, „kommen Sie am Montag ins Präsidium und wir werden es so kurz halten wie möglich.“ Er fühlt mit mir, aber was soll ich denn noch sagen?, dachte Marcus, ich habe alles berichtet, was ich sah; wie Maurice gegen die Scheibe schlug; wie das Chaos wütete; wie ich plötzlich alleine war und den Irren angriff; wie ich Jenny entdeckte. Wird so immer in einem Trauma gebohrt?
    Marcus rief auf dem Weg ins Krankenhaus bei Franks Mutter Beate an, die er seit der Grundschulzeit kannte, als Frank und er zu viert, mit Karsten und Henning, ihre Abenteuer durchlebten. Beate nannte die Jungs immer „meine vier Musketiere“ und sie mochte Marcus am liebsten, weil er ihre Kuchen liebte und immer so höflich war (Karsten und Henning waren ihr zu laut und ungestüm). In den letzten Jahren, seit dem Ende der Schulzeit, sah Marcus sie kaum noch, Frank wohnte schon länger allein, und in dieser Nacht holte Marcus sie mit seinem Anruf aus dem Schlaf in einen Albtraum, ihren persönlichen, nur für sie erfundenen Albtraum, so wie Marcus den seinen gerade erlebte. Er fühlte sich nach Weinen, einem unkontrollierten Losheulen, als er ihre Stimme vernahm und die Müdigkeit darin durch Freude abgelöst wurde, als sie wusste, mit wem sie sprach.
    „Ein bisschen spät für einen Anruf, findest du nicht?“ lachte sie fast, und dann erzählte er matt und schwach, was vorgefallen war und auf welchem Weg sie sich befanden.
    Beate beantwortete, während sie sich anzog, noch am Telefon, mechanisch aber den Tränen nah, die Fragen der Sanitäter nach etwaigen Erkrankungen ihres Sohnes, mit Marcus als Medium, der jeden Satz von ihr und jeden Satz der Sanitäter wiederholte. Ein Dialog, den er gleichzeitig mit sich selbst führte ohne dass es überhaupt seine Worte waren. Das ist verrückt, dachte er. 
    Aber sein Freund lebte noch, das war das Wichtigste in dem Moment. Ohne Marcus wär Frank längst tot. Marcus schlug den Irren in die Flucht und hinderte ihn somit daran, überlebenswichtige Adern zu durchtrennen oder Organe unwiderruflich zu schädigen (und damit hat die Zeitung doch tatsächlich recht, was Marcus ungern aber ehrlich zugibt; er hat seinen Freund gerettet). Frank wurden Stücke seines Fleisches heraus gerissen, oder gebissen, sie sind sich noch nicht sicher. Und einige Knochen sind gesplittert, aber er lebt noch. Noch immer. Und Beate wacht auch jetzt im Krankenhaus und wartet darauf, dass ihr Sohn erwacht, oder dass zumindest ein Arzt ihr sagt, dass Franks Zustand endlich stabil ist.
    „Wenn der Irre noch fester zugebissen hätte, noch länger und fester an seinem Opfer gezerrt hätte“, hieß es, „dann wäre es zu spät gewesen.“ Aber durch Marcus' Eingreifen konnten sie Frank ohne größere Schwierigkeiten wieder zusammen nähen. Es ist nur der immense Blutverlust, der ihn noch immer bedroht, noch jetzt, als Marcus am Berliner Tor-Bahnhof in den Bus wechselt, um zwei Stationen weiter bei der Straße auszusteigen, in der seine Mutter Claudia wohnt, von der er nicht weiß, ob sie weiß, was vorfiel gestern Nacht. Er hofft nicht, aber sie kauft sie auch, dieselbe Zeitung, und da ist sein Bild. Die Zeitung des Mannes trägt Marcus mit sich und er liest darin, während der Bus auf sich warten lässt. Er liest und fasst es nicht und wieder füllen sich seine Augen mit Tränen.
    „Gestern Nacht zwischen 0:04h und 1:42h herrschte auf der Reeperbahn Ausnahmezustand. Ein Irrer griff über fünfzig Personen, hauptsächlich Feiernde, an und verschwand dann einfach in der Nacht. Die Polizei und Feuerwehr waren bis 6h morgens im Dauereinsatz, ohne jedoch dem Täter zu begegnen. „Er bewegte sich viel zu schnell, wie ein gehetztes Tier“, berichtete ein Augenzeuge. „Er rannte und blieb nur stehen, um jemanden anzugreifen.“
    Wer der Irre ist und welche Motive er verfolgte, sind bisher noch unklar. Er wurde nicht gefasst, es gibt nicht einmal eine Spur. Er scheint plötzlich verschwunden und hinterließ ein Szenario des Schreckens.
    Ein bizzares Detail ist, dass der Irre ein Fellkostüm trug. Momentan

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