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Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition)

Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition)

Titel: Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vea Kaiser
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hatte und ein Sturm tobte, wie es ihn lange nicht mehr gegeben hatte. Unweit des Klosters stürzte sogar ein Baum auf ein darunter geparktes Auto, und alles, was nicht angenagelt war, flog durch die Gegend. Pater Jeremias, dessen Glauben an das Übel von solch einem apokalyptischen Unwetter angeregt wurde, streifte von neuen Lebensgeistern beseelt durch das Kloster, obwohl er seit seinem Herzanfall keine Treppen mehr steigen konnte. Auf seinem Rundgang kam er an Johannes vorbei, der am Boden saß und Totenköpfe in den Staub malte.
    »Dem Unheil, mein Junge, kann niemand entrinnen«, sagte Jeremias im Vorbeigehen und meinte zwar den Sturm – doch Johannes war noch nie ein Wort des Paters so nahegegangen.

[Der sparsame Kaiser, Notizbuch II]
    [8.4.] Zum großen Unmut der Bergbarbaren von St.   Peter regierte die Kaiserin, die ihnen ein Dorn im Auge gewesen war ob ihrer Weiblichkeit und jener Schulreform, von der ich bereits erzählt habe, vierzig Jahre lang. Als sie starb, trauerte das ganze Land, nur in St.   Peter am Anger gab es ein Fest. [8.5.] Die Bergbarbaren hatten sich jedoch zu früh gefreut, denn der Sohn jener Regentin sollte, wie ich nun künden werde, ihre Herzen noch mehr beschweren als seine Mutter. [8.6.] Der junge Kaiser war nämlich vom Geiste der sogenannten Aufklärung beseelt und verfolgte das ehrgeizige Projekt, jene Aufklärung in alle Winkel seiner Monarchie zu tragen, so auch zu den Bergbarbaren von St.   Peter am Anger. [8.7.] Neben vielem, was die Barbaren erfreute, verbot der eifrige Regent sogar Lebzeltln, eine Süßspeise, die wir heute als Lebkuchen kennen, die er allerdings für gesundheitsschädlich hielt, welche bei den Bergbarbaren aber allzugern verspeist wurde, seit man deren Rezeptur von den vor einigen Jahrzehnten angekommenen Flüchtlingen erhalten hatte. [8.8.] Richtig wütend wurden die Bergbarbaren aber, als der Regent Begräbnisse modernisieren wollte und ein Gesetz erließ, das besagte, daß, um Holz zu sparen, von nun an nur noch Sparsärge verwendet werden dürften. Diese Geräte waren an der Unterseite mit einer Klappe ausgestattet, die mittels eines Hebels über dem leeren Grab geöffnet werden konnte, woraufhin der Leichnam in die ewige Ruhe fiel und der Sarg somit wiederverwendet werden konnte. [8.9.] Erbost erklärten die Bergbarbaren den neuen Kaiser für wahnsinnig, und in ihrer Entrüstung rüsteten sie sich, mit Heugabeln und Dreschflegeln in die Stadt zu ziehen, um ihn zur Vernunft zu bringen. Bevor dies jedoch geschehen konnte, verstarb der Kaiser nur zehn Jahre nach Beginn seiner Regentschaft, und in der Hauptstadt des Reiches mühte man sich, eiligst alle seine Reformen wieder rückgängig zu machen. Denn dieser Kaiser war, wie ich nachgeforscht habe, bei den Zivilisierten genauso unbeliebt wie bei den Bergbarbaren – einer der wenigen Fälle, in denen Einigkeit über ein Thema zwischen ihnen herrschte.

Auf Glühwürmchen reiten
          
    Der Maturaanzug klebte völlig durchnässt an seiner Haut, als Johannes den letzten Bus des Tages nach St.   Peter bestieg. Johannes war der einzige Passagier, und die Sitzbänke rochen nach nassem Hund. Ohne Rücksicht auf seinen Fahrgast drehte der Busfahrer das Radio auf. Der lokale Alpensender übertrug eine Wiederholung des letzten Musikantenstadls, und der Busfahrer sang bei einem Schlager der Ursprung Buam laut mit. Damenwahl hamma heit, für de feschn Weiberleit, und wer guat tanzn ku, der geht schneidig heit voru, trällerte er zwei Schläge aus dem Takt, bis plötzlich beim Schalten vom dritten in den zweiten Gang vor der steil ansteigenden Wendlerserpentine der Bus einen Hopser machte und Johannes’ Kopf, den er ans Fenster gelehnt hatte, schmerzhaft gegen das Glas schlug.
    »Kruzifixn sacra, du depperts Hundsviech«, fluchte der Busfahrer den Bus an, aber der hüpfte weiter, bevor es einen Knall aus dem Auspuff machte, der Motor zu husten begann und das Fahrzeug stehen blieb. Aus dem Motorraum stieg grau-weißer Rauch auf, der Busfahrer drehte sich zu Johannes um und sagte, er solle sitzen bleiben, bevor er ausstieg. Doch Johannes war der Rauch nicht geheuer, und da das Radio nach wie vor den Musikantenstadl übertrug, der ohne Motorenlärm noch lauter über die Sitzreihen schallte, kletterte auch er aus dem Fahrzeug. Der Busfahrer inspizierte den Bus und fragte Johannes schließlich, ob dieser ein Handy habe, und als Johannes verneinte, schüttelte er ungläubig den Kopf und fluchte. Der Regen goss

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