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Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition)

Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition)

Titel: Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vea Kaiser
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medizinische Betreuung. Währenddessen machte sich Peppi bereit, den Elfmeter zu schießen. Er beruhigte seine Atmung, blickte nicht in den Zuschauerraum, sondern konzentrierte sich. Peppi wusste genau, dass sie dieses Spiel nicht gewinnen würden. Es war die sechsunddreißigste Minute, St.   Pauli war noch nicht einmal richtig warm gespielt, während einige seiner Mitspieler bereits kurz vor der Lungenembolie standen. Dennoch, nun hatten sie die Jahrtausendchance, wenngleich nur für kurze Zeit, mit einem Profifußballverein auszugleichen. In diesem Moment liefen alle Bewohner des Dorfes an den Spielfeldrand. Das Buffet, die Kassa und die brutzelnden Grillhenderln wurden allein gelassen, und selbst Johannes war ergriffen von der Anspannung, die solche historischen Momente im Fußball auch bei denen auslösen, die gar keinen Sinn für diesen Sport haben.
    Die Lenker Rettung kam herbeigelaufen und kniete sich samt Trage neben Robert nieder. Peppi beobachtete, wie sie ihn versorgten, und plötzlich durchfuhr ihn ein Rappel: Wieso kam die Rettung und nicht die Gemeindeärztin, die als Teamärztin eigentlich Erstversorgungspflicht hatte? Peppi wandte sich zur Betreuerbank des FC St.   Peter: Der Platz der Gemeindeärztin war leer. Er blickte zu den Tribünen, wo Maria an jener Stelle mit der geringsten Entfernung zur Toilette gesessen war, doch da saß nur ein Ordner mit zittrigen Knien. Peppi streckte seine Nase in den Wind und wusste, dass es so weit war. Nicht eine Sekunde zögernd drehte er sich um und lief los. Gemeinsam schrien alle Fans von St.   Peter und St.   Pauli auf, Wenzel Rossbrand kletterte eilig über die Feuerleiter auf das Dach des Fußballhauses, um zu sehen, wohin Peppi lief. Peppi rannte wie vom Blitz getroffen über das Spielfeld, vorbei an den eigenen und gegnerischen Spielern, vorbei am eigenen Tor, stieß einen Ordner zur Seite, der ihn daran hindern wollte, das Spielfeld zu verlassen, sprang über die Absperrung, trat den Notausgang ein und rannte quer über die Äcker zur Dorfstraße. Schuarl, der seine Straßensperre bewachte und sich über das Walkie-Talkie von seinem Lehrbub durchgeben ließ, was im Stadion geschah, blickte auf, als ihm dieser durchfunkte, Peppi sei davongelaufen. Im selben Augenblick kam der Stürmerstar bei Schuarl an, setzte sich auf den Beifahrersitz und gab das Kommando, die Verfolgung des Rettungswagens aufzunehmen. Schuarl spürte, dass er gebraucht wurde wie noch nie zuvor, stellte das Warnlicht und die Sirene an und raste ins Tal.
    Im Stadion hatte sich indessen verwirrtes Flüstern ausgebreitet. Johannes ging zum Stadionsprecher und nahm ihm das Mikrofon aus der Hand. Er schluckte und rang sich schließlich durch, das zu sagen, was er niemals hatte sagen wollen, bevor es einen eindeutigen Beweis dafür gab. Doch in diesem Moment verstand er, manchmal musste man Dinge akzeptieren, selbst wenn der wissenschaftliche Beweis fehlte.
    »Liebe Besucherinnen und Besucher, der FC St.   Peter entschuldigt sich für diese Spielunterbrechung, der Stürmer mit der Nummer   8, Peppi Gippel, musste den Platz verlassen, da er Zwillingsvater wird.«
    Jubel brach aus, Sepp Gippel wechselte kopfschüttelnd, aber grinsend Peppi in absentia gegen Christoph Ötsch aus, Engelbert Parseier vergab den Elfmeter, und obwohl sich ganz St.   Peter ärgerte, war niemand Peppi böse. Irgendwie spürten sie in diesem Moment, dass Peppi tatsächlich der Vater war, wenn er mitten im Spiel, vor der Chance seines Lebens, den Drang verspürte, zur Geburt zu laufen.
    Bis zur Pause legten die St.   Paulianer den St.   Petrianern drei weitere Eier ins Nest. Nach der Pause folgten sechs starke Minuten der Gastgeber, dann schoss der linke Mittelfeldspieler die Pauli-Tore acht und neun, und obwohl mit Peppi die Offensivkraft und spielerische Schönheit des Ortsvereines verschwunden waren, kamen die Zuschauer in der zweiten Spielhälfte voll auf ihre Kosten. Während die Kräfte nun eindeutig verteilt waren, schienen die Spieler beider Mannschaften den Spaß ihres Lebens zu haben, der sich auf das ganze Stadion übertrug. In der Schlussphase tauschten ein Pauli-Akteur und Robert Rossbrand die Trikots, und Robert Rossbrand erzielte sogar in der 84. Minute ein Tor für die Gäste, worüber er sich erst freuen konnte, als, nachdem auch die Torhüter Trikots getauscht hatten, der St.-Petri-Keeper Andi Patscherkofel im Pauli-Dress ins Pauli-Tor schoss, und das Endergebnis letztendlich zum 4   :   28

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