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Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition)

Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition)

Titel: Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vea Kaiser
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FC St.   Peter durfte die Mannschaften als Ballkinder auf den Platz begleiten, und Johannes sah, wie die Kinder lächelten, als die St.-Pauli-Spieler die Hände auf ihre Schultern gebettet hatten. Wenzel Rossbrand schloss in diesem Moment Frieden mit seiner Kleinwüchsigkeit – denn als Auswahlkriterium, um die Spieler auf den Platz zu begleiten, hatte einzig die Körpergröße gegolten. Sogar Mädchen durften an diesem Tag Fußballdresse anziehen und die Spieler begleiten. Johannes holte sich einen Radler, legte sein Moleskine, das ihn schon den ganzen Tag in die Rippen drückte, auf den Fenstervorsprung des Klubhauses, stand auf und stellte sich zu den anderen, um dem Spiel als Fan beizuwohnen, nicht als Geschichtsschreiber.
    Es folgte der Anpfiff. Die Stimmung kochte schon in der zweiten Minute, und die St.   Paulianer gaben den Ball bis zur achten Minute nicht ab, sodass Sepp Gippel, der schreiend auf und ab sprang, in einer Atempause seinem Co-Trainer zuflüsterte, St.   Pauli spiele Fang den Ball mit St.   Peter. Dann gab es jedoch einen Fehlpass, ein Pauli-Spieler hatte sich von einem vorüberfliegenden Steinadler ablenken lassen, und die St.-Petri-Fans jubelten über den ersten Ballkontakt ihrer Mannschaft wie über den Gewinn der Meisterschaft. Kurz darauf gab es nichts mehr zu lachen, denn nachdem der FC St.   Peter elf Minuten hinten dichtgehalten hatte, sorgte der kleinste Spieler von St.   Pauli für die Eröffnung des Schützenfests.
    »Wenigstens hat er’s schön g’macht«, kommentierte der Gemeinderat Arber, doch als hätte er’s damit verschrien, sah die St.-Petri-Abwehr bei den Toren zwei und drei aus, als spielte sie zum ersten Mal in ihrem Leben Fußball. Dann wurde Peppi Gippel aktiv. Er hatte die erste Viertelstunde benötigt, um seine Aufregung über die atemberaubende Kulisse unter Kontrolle zu bringen, aber nun übernahm er den Ball sofort nach der Mittelauflage, dribbelte sich frei, spielte den Ball kurz an Engelbert Parseier ab, ließ St.   Paulis zweiten Verteidiger stehen und dem Tormann keine Abwehrchance. Jetzt kannte der Jubel auf dem mit fünf Zusatztribünen erweiterten alpinen Sportplatz keine Grenzen mehr, und sogar die St.-Pauli-Stars jubelten und warfen sich auf den St.-Petri-Spieler, der sich auf Peppi gelegt hatte. Davon, echte Bundesligaspieler auf seinem Körper liegen zu haben, wurde Peppi nochmals beflügelt, und so ließ auch der Anschlusstreffer nicht lange auf sich warten. St.   Peter brodelte, plötzlich stand es 2   :   3, und Sepp Gippel war außer sich, da bereits die dreißigste Minute angebrochen war und St.   Peter tatsächlich eine Chance hatte, mit den Profis aus dem Norden mitzuhalten. Einer der Verteidiger markierte zwar inzwischen ein viertes Tor für St.   Pauli, doch kurz darauf spielten die St.-Petri-Burschen in einer schönen Aktion Peppi im Strafraum frei, und aus der Drehung verwertete dieser den ihm zugespielten Pass zum 3   :   4 – das Dorf tobte. Die Freudenschreie steckten sogar die Kühe auf den Osthangweiden an, sodass diese auf ihrer Koppel herumsprangen und ihre Glocken ertönen ließen, und auch Egmont, der diese Wendung mit dem Feldstecher vom Kirchturm aus beobachtete, weil der Pfarrer angeordnet hatte, dass er um seines Seelenheils willen lieber nicht zum Fußballplatz gehen sollte, konnte nicht widerstehen, vor Freude die Glockenanlage einzuschalten. Und dann: St.   Peters Tormann Andi Patscherkofel parierte zwei Mal in Folge, alle St.   Petrianer Kicker beteiligten sich am schnellen Konter, Robert Rossbrand lief sich im Strafraum frei, bekam den Ball, der St.-Pauli-Libero hastete ihm nach, wollte sich nicht nochmals die Blamage geben, einen Dorfkicker nicht ordentlich zu decken, aber der Libero hatte nicht mit den Unebenheiten eines Dorffußballplatzes gerechnet, der zwar in mühsamer Gartenarbeit kosmetisch korrigiert worden war, jedoch böse Überraschungen unterm Gras barg. Der Libero stürzte auf Robert, der mit seinem großen theatralischen Talent sofort mit zu Boden ging, seine ausdrucksstarke Mimik zu einem leidenden Gesicht verzog und mit seinem lauten Rossbrand’schen Organ den dazugehörigen Schmerzensschrei produzierte, der das gesamte Angerbergstadion zum Zusammenzucken brachte. Der Schiedsrichter beugte sich über Robert, der sich Mühe gab, dem Tod nah zu scheinen. Dementsprechend pfiff der Schiedsrichter einen Elfmeter. Robert blieb noch liegen und wartete, um seine Vorstellung abzurunden, auf

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