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Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition)

Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition)

Titel: Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vea Kaiser
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Badewanne den Schlamm aus den Haaren gewaschen und erzählt, wie er die Nacht davor aus dem Bett geholt worden war, weil der tumbe Vater von dem blöden Buben sich mit einem andern tumben Vater von einem andern blöden Buben wegen einer sinnlosen Diskussion über das Wesen der Schlammzeit geprügelt hätte, ob sie nun zum Winter oder zum Frühling gehöre. Der eine tumbe Vater hätte schließlich eine aufgeplatzte Augenbraue gehabt und der andere eine gebrochene Nase, zu einer Lösung wären sie jedoch nicht gekommen. Doktor Johannes Gerlitzen glaubte, der Schlamm machte die St.-Petri-Männer noch tumber, als sie ohnehin waren. Nachdem Johannes ausgetrunken hatte, ging er von Lichtschalter zu Lichtschalter, nur das Treppenlicht ließ er brennen, damit Doktor Opa nicht stolperte, wenn er nach Hause kam. Doch als er im Labor angekommen war und sich über den Schreibtisch beugte, um die Sezierlampe auszumachen, entdeckte er Doktor Opas Patientenjournal. Johannes wunderte sich, denn er wusste, dass sein Großvater nie ohne Journal aus dem Haus ging – der abgegriffene, mit Flecken übersäte Einband zeugte davon. Johannes ahnte, dass sich der Großvater furchtbar ärgern würde, sobald er dessen Fehlen bemerkte. Johannes blickte es unschlüssig an, überlegte, ob er es ihm bringen sollte, und dachte schließlich daran, dass er Doktor Opas Assistent war. Der kleine Johannes fühlte sich hellwach, meinte, ohnehin nicht schlafen zu können, bevor der Großvater wieder zurück war, also schlüpfte er in seinen Regenmantel, hüllte das Journal in ein Plastiksackerl, zog seine Gummistiefel an und nahm einen der vielen Schirme aus dem Ständer vor der Ordination, die die Patienten wie Gastgeschenke dort stehen gelassen hatten.
    Doktor Johannes Gerlitzens Hosen waren klamm und durchnässt, als sie am Unfallort ankamen. Er war, vom jungen Herrn Rettenstein gedrängt, so schnell geeilt, dass er den Regenschirm nicht senkrecht über sich hatte halten können. Kaum hatte er sich einen Überblick verschafft, verstand er jedoch, warum Eile notwendig gewesen war. Der Nordhang war bereits so weit gerutscht, dass der Feldweg, der zwischen den Weiden hinunter zum Mitternfeldbach führte, kaum noch zu erkennen war. Johannes Gerlitzen erinnerte sich daran, dass bereits sein Großvater gesagt hatte, der Nordhang werde irgendwann abrutschen, doch er hatte nie gedacht, dass es tatsächlich passieren würde und dass dabei jemand zu Schaden kommen könnte. Im Licht der Scheinwerfer des großen und des kleinen Feuerwehrautos, die quer auf dem Ende der asphaltierten Dorfstraße parkten, glänzte der Unterboden eines umgestürzten Traktors. Karl Ötsch, sein früherer Nachbar von links, war darunter eingeklemmt. Seit Johannes Gerlitzen als Doktor aus der Stadt zurückgekehrt war, hatte er auf den Moment gewartet, an dem Karl Ötsch in seine Ordination kommen würde. In seinem Kopf hatte er alle Szenarien durchgespielt: dass sie sich prügelten, dass sie sich aussprachen, dass sie kühl miteinander umgingen und dass sie sich vielleicht sogar versöhnten, denn Johannes Gerlitzen hatte längst Frieden geschlossen. Seit er den kleinen Johannes in seinem Leben hatte, schien die Welt wunderbar und alles seinen Grund zu haben. Er hatte das Gefühl, alles war so geschehen, um für Johannes die besten Voraussetzungen zu schaffen. Wäre er nicht aus St.   Peter weggegangen, hätte er dem Buben nur Schnitzen beibringen können, so jedoch konnte er dem klügsten Kind in der Geschichte von St.   Peter helfen, später Großes zu erreichen. Auch wenn es ein schmerzhafter Weg gewesen war, Karl Ötsch hatte seinen Anteil. Bis auf seine Zähne war der frühere Nachbar immer kerngesund gewesen. Selbige waren ihm einer nach dem anderen ausgefallen, ein bis zwei pro Jahr, aber Karl Ötsch sagte stets, er äße lieber bis an sein Lebensende Suppe, bevor er Johannes’ Hilfe erbitten würde. Hin und wieder hatten sich Karl und Johannes im Dorf gesehen, sich aber bis zum heutigen Tag gemieden.
    Johannes wunderte sich nicht, dass ausgerechnet sein ehemaliger Nachbar von links den Leichtsinn begangen hatte, während der Schlammzeit das Holz heimzuholen. Während der Schneeschmelze hatte sich gezeigt, dass ein Teil des Kiefernwaldes wegen Schädlingsbefalls den Winter nicht überstanden hatte, und Karl Ötsch hatte ihn gefällt. Das Holz lagerte noch am Nordhang, und er hatte, sobald man befürchten musste, der Hang würde rutschen, beschlossen, das Holz zur Sicherheit

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