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Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition)

Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition)

Titel: Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vea Kaiser
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freiem Auge gar nicht erkennen. Und das Schlimme ist, im Menschen kann sich der Wurm nicht entwickeln, er bleibt auf ewig eine Larve, und wenn diese Larve stirbt, kann sie zu grauslichen Entzündungen führen. Ganz gefährlich ist, wenn eine Larve ins Auge wandert. Sie kann dort eine Entzündung des inneren Auges hervorrufen, bis man blind wird.«
    Der kleine Johannes schluckte, ihn fröstelte, und er dachte mit mulmigem Gefühl an seine letzte Augenentzündung zurück.
    »Opa, ich hab doch letzten Monat auch so etwas gehabt. Hab ich einen Wurm im Auge?«
    Johannes Gerlitzen lachte und knipste die Sezierlampe an.
    »Aber nein, deine Brille war falsch eingestellt. Keine Sorge, du hast keinen Wurm im Auge und wirst nicht blind. Auf deine Augen pass ich immer besonders auf, die brauchst du ja zum Forschen, mein Assistent muss gute Augen haben!«
    Johannes Gerlitzen zwinkerte ihm zu, bevor er sich den Stirngurt mit verschiedenen Vergrößerungsscheiben anlegte. Der Kleine lächelte, fasste all seinen Mut zusammen und schob seinen Kinderforschersessel näher zu seinem Großvater.
    »Wenn du magst, kannst du die Mäuse aufschneiden. Wir müssen nämlich heute erforschen, ob Nagetiere Zwischenwirte für den Hundespulwurm sind. Das wurde bisher noch von niemandem untersucht, dabei ist der Toxocara canis eine für den Menschen nicht zu unterschätzende Gefahr! Neueste Schätzungen sprechen davon, dass in westlichen Ländern fünfzehn Prozent der Hunde und fast hundert Prozent der Welpen befallen sind.«
    Der kleine Johannes unterbrach die Vorbereitung seiner Schreibgeräte, sah seinen Großvater an, dachte an Schlappi und wie froh er war, nie den Hund bekommen zu haben, den er sich früher gewünscht hatte.
    »Mhm, ich denke, ich mach weiter bei der Schlappi-Forschung.«
    »Wie du magst«, sagte der Großvater und entfernte die Plastikkappe seines Skalpells.
    Die schrille Türglocke sprang beinah aus der Fassung, so heftig wurde die Tür aufgerissen. Augenblicklich schreckten Großvater und Enkel aus ihrer Forschertrance auf.
    »Nanu, schon dunkel?«
    Doktor Gerlitzen hatte unter seiner Schreibtischleuchte gearbeitet und das Tageslicht nicht beachtet. Der kleine Johannes hatte untersucht, wie schnell Schlappi verschiedene Dinge essen konnte. Für einen Apfel brauchte er viermal so lange wie für eine Karotte und für ein Blatt Löwenzahn halb so lang wie für ein Blatt Eisbergsalat. Endivie und Bohnen verweigerte das Kaninchen. Großvater und Enkel sahen sich fragend an, als Ilse Irrwein die Tür zum Laboratorium aufriss.
    »Spinnts es?«, fragte sie atemlos. Verängstigt sah der kleine Johannes, dass seine Mutter nur Gartenclogs trug. Kein gutes Zeichen, dachte er, Gartenclogs bedeuteten, Ilse war hastig aufgebrochen – wahrscheinlich, weil sie wütend war. Johannes linste auf die Digitaluhr auf Doktor Opas Arbeitstisch, es war zwanzig nach sieben, um sechs hätte er zu Hause sein sollen.
    »Bitte reg dich nicht auf, ich hab mich um Johannes’ Bildung gekümmert, bei euch zu Hause rennt ja um diese Uhrzeit sowieso nur der Fernseher.«
    In den letzten Jahren stritten Vater und Tochter nur über ein Thema: Johannes’ Erziehung. Ilse wollte, dass er an den Aktivitäten der anderen St.-Petri-Kinder teilnahm, Jungschar, Fußball, Kinderblasmusik, was Johannes Gerlitzen ablehnte. Die Jungscharräume im Pfarrhof empfand er als zu verstaubt angesichts von Johannes’ Allergien, Fußball, meinte er, sei für Johannes nicht geeignet, da er in seiner körperlichen Entwicklung weit hinter den Kindern seines Alters zurücklag, und die Blasmusik fand er lächerlich.
    Ilse ballte ihre Fäuste, dass die Nägel weiße Sicheln in ihre Handflächen drückten.
    »Fein, wenn es des so wollts, dann bitte, schlaf do glei da! Owa ans sag i da, Johannes, wennst an Albtraum hast oder wieda glaubst, da is a Monster unter’m Opa seinem Bett, heut brauchst net anrufn. Heut kumm i sicherli net!«
    Entschieden verschränkte sie die Arme vor der Brust, drehte sich ohne Verabschiedung um und polterte die Stiegen hinab. Der kleine Johannes strich sich erleichtert die Locken aus der Stirn, und Schlappi traute sich unter der Couch hervor. Das Kaninchen hatte Angst vor Ilse, als ob es um ihre Rosmarin-Kaninchenbraten-Pläne wüsste.
    Im Laufe des Abends hatte starker Regen eingesetzt. Ilse blieb nach Verlassen des Hauses noch einige Minuten unter dem Dachvorsprung stehen und versuchte sich abzukühlen, ihr hochroter Kopf pochte. Obwohl der Kombi nur wenige

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