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Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition)

Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition)

Titel: Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vea Kaiser
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St.   Petrianer ins Gedächtnis, konzentrierte sich, an nichts anderes zu denken, bis sie Johannes am Dorfplatz abgesetzt hatte. Mit hängendem Kopf und einem Zittern, das nur diejenigen haben, die sehr lange und ausführlich geweint haben, schleppte Johannes seinen Rucksack lieblos zum Bus. Der Motor lief, man hatte beschlossen, nicht länger auf den Ersatzpfarrer zu warten. Ilse begleitete ihn bis zur Einstiegstür, drückte ihm einen Kuss auf den Hinterkopf und streichelte seine Wange. Johannes war so resigniert, dass er nicht einmal mehr die Zärtlichkeiten seiner Mutter abwehrte. Er erklomm die ersten drei Stufen, drehte sich nochmals um und flüsterte:
    »Aber ihr dürft nicht den Schlappi essen, wenn ich weg bin, versprochen?«
    Zwischen Mutter und Sohn griff das Gummi der Bustür in die Einfriedung, und der Bus fuhr mit rasselndem Auspuff davon. Bis er nur noch als schwarzer Punkt auf dem Weg die Dorfstraße talwärts zu sehen war, blieb Ilse bewegungslos stehen. Auf der Kirchenstiege standen ihre Freundinnen, umarmten sie, tätschelten ihre Schultern und bestärkten sie darin, dass dies die richtige Entscheidung wäre. Und kaum war Ilse beruhigt, geiferten die Frauen:
    »Owa wos is mit dem depperten Pfaff vo Mönch?«
    »Jo, wia immer, de Quasteln aus’m Kloster sand nie do, wenn man’s braucht.«
    »Wir ham so a Glück, dass wir net zum Kloster g’hörn.«
    »Ja wirkli, hoffentli wird da Pfarrer Cochlea bald wieda g’sund.«
    Pater Tobias hatte langsam das Gefühl, den Jaguar unter Kontrolle zu haben, und da Pater Jeremias, einer der älteren Mönche, dem sein Nachmittagsschlaf heilig war, wütend in den Hof stapfte und das Wunder des Zwölfzylinders verfluchte, wendete Pater Tobias das Lenkrad Richtung St.   Peter. Die Strecke war kurvenreich, grausam schnitten sich die Serpentinen in den Berg und stiegen in Winkeln über zwölf Prozent an. Gleitend, beseelt und im Radio ein Te Deum laut aufgedreht, fuhr Pater Tobias nach St.   Peter.
    Als der royalblaue Jaguar am Priesterparkplatz vor der Kirchenstiege hielt, während sich die Mütter darüber echauffierten, dass der Greißler nie genug Gelierzucker im Sortiment hatte, war Pater Tobias alles verziehen. Noch bevor der Rosenkranz am Rückspiegel wieder ruhig hing, stieg der junge Pater vom Sonnenlicht der Nachmittagssonne beschienen aus dem Auto, und mit einem sanften Grüß Gott ! eroberte er die Herzen der St.-Petri-Frauen.
    Mit vielem hatte der hübsche Pater gerechnet, aber was in den nächsten Tagen auf ihn zukam, hätte er sich in seinen kühnsten Albträumen nicht auszumalen gewagt. Oft überlegte er, ob der Jaguar schuld war, ob er besser mit einem der normalen Klosteraudis hätte fahren sollen, aber da er nicht genügend Zeit fand, länger über solche Dinge nachzudenken, fand er auch keine Antwort. Pater Tobias war es gewohnt, dass ihn die Frauen in den ersten fünf Kirchenbänken die ganze Messe hindurch anlächelten, aber es war neu für ihn, danach ständig zum Essen eingeladen zu werden. Wobei, wäre er lediglich eingeladen worden, hätte er ja ablehnen können. Aber kaum verließ er den Pfarrhof, stürzten sich die Frauen an seine Seite, nahmen ihn am Arm und zerrten ihn nach Hause – egal ob mit oder ohne Widerrede. Machte er seine Meditationsspaziergänge durch die schöne Natur oder vertrat er sich die Beine, um die Verdauung nach den üppigen Mahlen anzuregen, konnte es vorkommen, dass ein Auto neben ihm abbremste und er von Männern mit starkem Griff hineingezogen wurde. Beim ersten Mal hatte er gedacht, man würde ihm gleich ein schwarzes Sackerl über den Kopf stülpen und ihn auf einer Waldlichtung umbringen. Doch der Fahrer hatte sich zu ihm umgedreht und mit einem Satz auch gleich alle kommenden Entführungen erklärt:
    »Mei Frau hat g’sagt, i soll Ihnen zum Essen abholn.«
    Die St.-Petri-Männer drückten auf die Gaspedale ihrer Geländewägen und verfrachteten Pater Tobias an die reichlich gedeckten Küchentische ihrer Frauen. Manch eine wagte sogar, ihm beim Mittagessen das Bein mit dem Fuß zu streicheln, obwohl der grimmige Ehemann danebensaß und sein Schnitzel zerfleischte, als müsste das Schwein einen zweiten Tod sterben. Pater Tobias lebte von da an in Angst und mit schrecklichen Verdauungsbeschwerden.
    Einen der schlimmsten Krampfanfälle im Unterbauch ereilte Pater Tobias am Palmsonntag im Wirtshaus, nachdem er am Samstag zuvor sieben Mal zum Essen genötigt worden war. Pfarrer Cochlea, der sich noch von den

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