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Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition)

Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition)

Titel: Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vea Kaiser
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röten, wie früher, wenn sie als kleines Mädchen ihrer Mutter beim Kuchenbacken assistiert und nach und nach deren Rezeptgeheimnisse erfahren hatte. Elisabeth Gerlitzen war seit mittlerweile neunundzwanzig Jahren tot, doch Ilse vermisste sie an manchen Tagen, als wäre sie gerade erst verstorben. Langsam wurde die dumpfe Küchenlampe über dem Jogltisch von der aufgehenden Sonne abgelöst. Als der Kuchenduft sich im Haus verbreitete, war es kurz nach sechs. Alois rumpelte mittlerweile in der Waschküche, wechselte seinen Pyjama gegen die Arbeitskleidung. Kaum war der Biskuitteig ausgebacken, nahm Ilse die Marillenmarmelade aus dem Kühlschrank und hielt sie in die Restwärme des Ofens, um sie streichfähiger zu machen. Normalerweise füllte sie ihre Kuchen wie alle St.-Petri-Frauen mit Adlitzbeerenmarmelade. Ihr nicht zu süßer, frischer und doch kräftiger Geschmack war ein Wunder der weltweiten Küche, nur Johannes mochte die kleinen roten Früchte nicht. Heute wollte Ilse nicht mit ihrem Sohn streiten, ob er den Kuchen äße oder nicht, heute wollte sie ihm zu seiner Rückkehr eine Freude machen.
    »Der Friede des Herrn sei mit euch!«
    Pater Tobias begrüßte die zurückgekehrten Kinder, nachdem sie von Grete in die Empfangshalle des Pfarrhofes geführt worden waren. Den meisten sah man an, dass sie seit der Abfahrt nicht mehr geduscht hatten. In den Haaren der abenteuerlustigsten Kinder steckten Blätter, Moose und Äste. Einige hatten noch die Kriegsbemalung vom Indianer-Cowboy-Flaggenspiel vor drei Tagen im Gesicht, und der ganzen Gruppe war gemein, dass sie nach Erde, ranzigem Zeltstoff und mit Saft bepatzten Schlafsäcken roch.
    In der letzten Reihe, etwas hinter den anderen und an die Wand des Empfangsraumes gelehnt, stand Johannes A. Irrwein und langweilte sich. Er kannte bereits alles, was Pater Tobias erzählte. Anders als seine Klassenkameraden hatte er in Religion aufgepasst, doch nun ärgerte er sich, das langweilige Kirchenzeug zweimal hören zu müssen. Johannes hatte zu wenig geschlafen, hustete und hatte drei Kilo verloren. Bei den Spielen, vor denen er sich nicht hatte drücken können, hatte er sich sechs blaue Flecken und vier Schnittwunden zugezogen. Vom vielen Wandern hatte er drei Blutergüsse unter den Zehennägeln des rechten Fußes, von all den Muskelkatern ganz zu schweigen. Nachdem er von seinen Zeltkollegen gezwungen worden war, Schiedsrichter in ihrem Wettkampf um den stinkendsten Puuhtschi zu sein, meinte er zudem, für die nächsten drei Jahre genug Kontakt mit anderen Kindern gehabt zu haben. Nach dieser Woche Natur lechzte Johannes nach geistiger Herausforderung und, angezogen von einem Büchertisch, den er am anderen Ende des Raumes im Erker Richtung Garten entdeckte, drückte er sich Schritt für Schritt hinter den breiten Hüften der Jungscharleiterinnen vorbei, die ihn nicht bemerkten, da sie sich gerade in den schönen Priester verliebten. Der Lesestuhl war ein Fauteuil mit rotem Überwurf, halb dem Raum, halb dem wunderbaren Blick über die Obstbäume des Pfarrgartens zugewandt, und Johannes war klein genug, um sich an der dem Saal abgewandten Seite des Fauteuils zusammenzukauern. Schnell schnappte er sich den Bücherstapel von der Anrichte. Der Pater hatte gerade einen Scherz gemacht, alle lachten, die Betreuerinnen besonders laut, und niemand bemerkte Johannes. Obenauf lag die Bibel – langweilig, dachte er und legte sie beiseite. Danach kamen zwei theologische Fachbücher, und nach der Zeitschrift Kirche heute befürchtete er schon, die Lektüre des Paters wäre genauso dröge wie dessen Worte, doch dann schlug er das letzte Buch auf. Es schien doppelt geschrieben, auf der rechten Seite normal und auf der linken Seite in einer Art Geheimschrift. Einige der Buchstaben sahen den Buchstaben, mit denen er lesen gelernt hatte, gar nicht unähnlich, dennoch verstand er kein Wort, was sein Interesse umso mehr weckte. Johannes begann die rechte Seite zu lesen: Was Herodot von Halikarnassos erforscht, das hat er hier dargelegt, auf daß weder das, was durch Menschen geschehen, mit der Zeit verlösche, noch große und bewundernswürdige Taten, teils von Griechen, teils von Barbaren vollbracht, ruhmlos bleiben: Das alles hat er dargelegt, sowie auch, aus welcher Ursache sie einander bekriegt haben.
    Johannes’ Augen leuchteten. Diesen Anfang kannte er, das war Herodot, das letzte Buch, aus dem ihm Doktor Opa vorgelesen hatte und das beim Übersiedeln verloren gegangen war,

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