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Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition)

Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition)

Titel: Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vea Kaiser
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Barmherzigen Schwestern pflegen ließ, hatte einst durchgesetzt, dass das Wirtshaus sonntagnachmittags nach dem Frühschoppen geschlossen wurde, damit die St.-Petri-Männer wenigstens den Tag des Herrn im Kreis der Familie verbrachten. Pater Tobias jedoch war dafür verantwortlich, dass das Wirtshaus am Palmsonntag offen blieb, denn er war, kurz bevor der Wirt schließen wollte, auf die Toilette verschwunden und kam lange Zeit nicht wieder. Aus Respekt vor einem Geistlichen kontrollierte niemand, ob es dem jungen Mönch am stillen Örtchen gut ging, sondern der Wirt hielt so lange geöffnet, bis der Pater zurückkam.
    An jenem Nachmittag saßen die vier Dorfeminenzen Ebersberger, Rettenstein, Rossbrand und Hochschwab am Stammtisch. Als Pater Tobias schließlich mit hochrotem Kopf und Schweißperlen auf der Stirn zurückkam, winkte ihn die Stammtischrunde zu sich und setzte ihm einen dreifachen Adlitzbeerenschnaps vor. Pater Tobias wusste nicht, dass man ihnen aufgrund ihrer Verdienste um St.   Peter und vor allem wegen ihres Alters nicht widersprach.
    »Meine lieben Herren, ich trinke nur Gottes gesegneten Messwein!«, sagte der Pater entschuldigend und wollte sich erheben, doch er erntete solch böse Blicke, dass er sich rasch wieder setzte. Vor allem Hochschwabs Augenbrauen machten ihm Angst, denn diese waren spitz zulaufend frisiert und so dicht, dass sie Schatten auf dessen Augenhöhlen warfen. Dann musste plötzlich Opa Ebersberger husten, und da sich dieser noch nicht von seiner letzten Lungenentzündung erholt hatte, klang das Husten so laut und röchelnd, dass Pater Tobias vor Schreck das Schnapsglas in einem Zug leerte.
    »De Kuchl vo unsere Weiber is sensationell«, erklärte Opa Rettenstein daraufhin mit zufrieden gestimmtem Gesichtsausdruck, »owa ohne Schnaps haltet des niemand aus.« Nachdem sich das Brennen in seiner Gurgel gelegt hatte, spürte Pater Tobias, wie sich der Schnaps augenblicklich an die Arbeit machte, alles zu zerlegen, was seinen Magen seit Tagen überforderte.
    Bevor er ging, um für Vergebung für diesen und alle folgenden Schnäpse zu beten, die er in den kommenden Wochen zu trinken beabsichtigte, gab ihm Opa Rossbrand noch den Rat:
    »Und wenn’s Schweinsbratn gibt, müssen Ihnen a paar Dörrzwetschgn zum Schnaps essn!«
    Pater Tobias nickte dankbar, und beim Verlassen des Wirtshauses verstand er, warum man sich im Dorf erzählte, diese vier alten Haudegen seien die klügsten und wichtigsten Männer St.   Peters.
    Am Montag nach dem Palmsonntag saßen die Mütterrundenmitglieder am Stammtisch im Café Moni und überlegten, wie Pater Tobias es schaffte, dass sein Haar so honigfarben leuchtete.
    »I glaub jo, er verwendt de ane blaue Spülung aus da Werbung, de was’s bei uns nu net gibt.«
    »Geh na. I glaub, de Haar sand afoch so.«
    »Spinnst? So a Glanz is net normal. Der schaut aus wia so a Model aus’m Katalog.«
    »Jo, owa der is a Pfarrer, der derf jo gar ka Spülung verwendn.«
    »Wieso net? Glaubst leicht Pfarrern duschn mit Weihwasser?«
    Die Frauen kicherten, stießen einander mit den Ellbogen in die Rippen, nur Ilse saß mit verschränkten Armen in der Ecke. Angelika Rossbrand winkte Frau Moni, noch eine Runde Kirschlikör aufzutragen, obwohl Ilse ihr erstes Glas noch nicht angerührt hatte. Es war halb zwei am Nachmittag, und ihre Freundinnen waren bereits beim Hochprozentigen angekommen. Mariannes Wangen waren gerötet, und sie war nicht die Einzige am Tisch, die lallte.
    »Sagts amoi, hat wer vo enk was vo de Kinder g’hört? Da Johannes hat si seit gestern nimmer g’rührt«, fragte Ilse besorgt.
    »Jo und?«, antwortete Edeltraud Parseier.
    »Jo wos! I mach ma Sorgn!«
    »Geh bitte, Ilse! Denen Kindern geht’s guat! De ham scho ihrn Spaß, und wos wüllst’n? Übermorgen kommen’s wieda hoam, dann hamma’s wieda a ganzes Joahr am Hals, oiso genieß, dass dei Kind amoi weg is«, kicherte Angelika Rossbrand, als wäre sie wieder zwölf Jahre alt.
    »Ilse, wos glaubst’n, wofür’s de Jungscharlaga gibt? Damit wir a amoi frei ham! Schick dein Mann ins Wirtshaus und genieß s’Lebn!«
    Marianne erhob ihr Glas, Ilse sah sie verständnislos an – so hatte sie ihre Freundin das letzte Mal erlebt, als sie Teenager gewesen waren und am Feuerwehrheurigen auf den Tischen getanzt hatten. Vor Ilses Augen erhoben sich die Kirschliköre, schwebten aufeinander zu, schwappten zusammen, sodass die Schlagobershäubchen, die den warmen Schnaps garnierten, heiter tanzten.

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