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Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition)

Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition)

Titel: Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vea Kaiser
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neugierige Art, mit der er, ohne die Regeln der St.-Petri-Männlichkeit zu verletzen, ein Frauenthema anschneiden konnte.
    Reinhard sorgte sich um seinen Nachzügler Wenzel, der für einen Rossbrandbuben sehr klein und weinerlich war. Die Sorgen von Großbauer Toni Rettenstein wiederum waren denen des Alois Irrwein gar nicht unähnlich. Toni hatte neben den zweiunddreißig Kühen, zwanzig Schweinen, sechzehn Hühnern, drei Katzen und zwei Hunden noch vier Töchter. Und seine jüngste, Maria, die zwei Jahre jünger als Johannes war, schien sich zur Tierschützerin zu entwickeln. Wenn eine der Katzen warf, nahmen Toni oder auch Opa Rettenstein den Wurf, um ihn entweder im Wald zu erschießen oder in der Regentonne hinterm Haus zu ertränken. Auf dem Bauernhof der Rettensteins war man immer schon so mit den Kätzchen umgegangen, nur wenn eine verschwand oder starb, ließ man den nächsten Wurf leben. Maria aber hatte neulich im Stall mit den Hühnern gespielt, als Minki IV ein Junges zur Welt brachte. Es war nur ein einziges Kätzchen gewesen, aber Maria hatte sich sofort verliebt und bewachte den kleinen Kater, den sie Petzi genannt hatte, mit Argusaugen. Herr Rettenstein schüttelte darüber den Kopf und bestellte eine Runde Adlitzbeerenschnaps. Die Rettensteins hatten, wie er erzählte, gar nicht genug Mäuse für vier Katzen, vor allem aber wollte er keinen Kater auf dem Hof, da es sonst sicher zur Inzucht käme und er dann noch mehr Kätzchen erschießen müsste – was ihm nicht unbedingt Spaß machte.
    »Ihr wissts net, wia des mit vier Madln is. De sand so schwierig«, sagte er, und Alois antwortete:
    »Mei Sohn is a net besser. Der führt si auf wia a Madl und wüll Viecha untersuchn. Dass’s des gibt!«
    Die kleine Maria Rettenstein schrie so laut, dass die Fenster kurz vor dem Zerspringen waren, als sie fünf Runden Schnaps und sechs Krügerl später von vier torkelnden Männern aufgeweckt wurde, die in ihrem Zimmer nach dem Kater Petzi suchten. Reinhard Rossbrand, der ein musikalisches Gehör hatte und, wie es sich für einen Rossbrand gehörte, Solist im Kirchenchor und Star des Laientheaters war, ging vor Ohrenschmerz in die Knie. Karli Ötsch, der als Tischler das Geräusch einer Säge gewohnt war, blieb unbeeindruckt im Türrahmen stehen und wunderte sich, wie weit das Mädchen ihren Mund aufbekam. Toni Rettenstein wollte sie beruhigen, schlug sich jedoch an der geöffneten Schranktür das Gesicht blutig, sodass ihn die hysterische, mitten in der Nacht geweckte Tochter nicht erkannte, also kniete sich Alois Irrwein an ihren Bettrand und sagte zu ihr:
    »Maria, i bin’s, da Alois, kennst mi eh, a Freund vo deim Papa. Los amoi, Maria, du woaßt jo, i hab an Sohn, den Johannes, und da Johannes hat koane G’schwister und is voi allanig, und i hab g’hört, du hast a klans Katzerl, des wos da am Hof net g’nug Mäus findt. Sag amoi, Maria, meinst net, dass’s für dein Petzi schöner warat, wenn er beim Johannes lebat, do hättat er nämli vül Platz und da Johannes warat net so allanig und kunnt mit’m Petzi Forscher spüln.«
    Johannes A. Irrwein schrie nicht, als derselbe besoffene Haufen von Männern in sein Zimmer krachte und ihn aus dem Schlaf riss. Er hatte schon damit gerechnet, irgendwann in ein Internierungslager zur Umerziehung zu einem guten Dorfbewohner gesteckt zu werden, das er sich so vorstellte wie ein Jungscharlager mit Stacheldraht ringsum. Er staunte jedoch, als aus einer Schnapswolke ein Erdäpfelsack in der Zimmermitte erschien und ein quiekendes, schreiendes, zu Tode verängstigtes Kätzchen auf dem Kinderzimmerboden zum Vorschein kam. Der kleine Kater war dreifarbig, hatte ein weißes Fell, auf dem Rücken braune Zeichnungen und im Gesicht rote Farbtupfer. Sowohl Johannes als auch der Kater waren so verängstigt und ratlos, dass beide in Schockstarre verfielen.
    »Hiazn kannst Wissenschaftler werdn, owa lass mei Bier z’friedn!«, sagte Alois, und trat, vom Rest der Männer gestützt, den Rückzug an. Es war kurz vor drei, Johannes kletterte aus dem Bett, nahm den Kater an sich und zog die Bettdecke über ihre beiden Leiber. Der Kater schmiegte sich an ihn, sein kleines Herz pochte ihm bis in den Schwanz.

[Ein Krieg, der dreißig Jahre dauert, Notizbuch II]
    [6.3.] Sechs Jahreszeiten später kam einer der Mönche, der einst in reichen Gewändern dem Dorf die Messe gelesen hatte und dann aufgrund der von den Bergbarbaren vermuteten Mönchskrankheit verrückt geworden war, aus

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