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Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition)

Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition)

Titel: Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vea Kaiser
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nicht vorzeigen, weil seine Mutter es getötet habe, spürte er eine bisher unbekannte Form der Aggression.
    Ilse und Alois bekamen seine Rache zeitgleich zu spüren. Freitagabend war für sie der Höhepunkt der Woche. Da Sonntag um 8   :   30   Uhr der Kirchgang anstand, konnte man nur freitags bis spät in die Nacht im Bademantel auf dem Sofa knotzen. Alois und Ilse hatten in den dreiundzwanzig Jahren ihrer Ehe viele Rituale entwickelt, um diesen Abend zu genießen. Ilse pflegte sich ein Bad einzulassen, während Alois das Bier aus dem Keller holte, damit sie rechtzeitig zum Wetterbericht die Füße hochlegen konnten. Alois mit dem Angertaler Anzeiger auf dem Schoß, Ilse mit Häkel- oder Backheftchen, die mit dem Tupperware-Erdäpfelschneider selbst gemachten Chips standen zwischen ihnen und in der Küchenmaschine zusammengerührter Dip auf dem Couchtisch. Doch an jenem Freitag schien das Haus verrücktzuspielen, und die Furcht, das Hauptabendprogramm zu verpassen, ließ beide nervös werden. Zuerst wurde das Wasser nicht warm, außerdem hatte sich Ilses Badekonfetti bereits in der Dose aufgelöst. Die Küchenmaschinenaufsätze waren nicht zu finden, und keine einzige Bierflasche ließ sich öffnen. Alois spuckte Gift und Galle, und Ilse schickte ihn eilig in den Keller, um sich die Wasserleitungen anzusehen. Alois verstand nicht, wieso er den Warmwasserhahn abgedreht vorfand, und tobte wie Rumpelstilzchen durch das Haus, als er den zugehörigen Inbusschlüssel nicht fand. Zuerst glaubten sie an einen unglücklichen Zufall, doch als Ilse im Licht der Küchenlampe ein Tröpfchen Superkleber am Kronkorken der Bierflasche entdeckte und Alois zeitgleich feststellte, dass das Verbindungskabel von Fernseher und Satellitenreceiver gekappt war, kamen sie dem Spuk auf die Spur. Hinter der veralteten Multimediastation der Irrweins, die für St.-Petri-Verhältnisse modern war, lag ein weißes Kuvert, in dem in fein säuberlichen Blockbuchstaben auf einem karierten Zettel geschrieben stand: Wenn ihr mich sabotiert, dann sabotier ich euch.
    Zwei Wochen und vier Tage lang führte Familie Irrwein daraufhin Krieg. Johannes bekam Leseverbot, das Alois durchzusetzen versuchte, indem er bei Einbruch der Dämmerung den Stromschalter im Obergeschoss abstellte. Johannes schlich daraufhin im Schutz der Dunkelheit mit Superkleber bewaffnet zu sämtlichen Alkoholflaschen im Haus, verbuddelte die Fernbedienung und machte Ilses Mohntorte durch das Hinzuschmuggeln von Zahnpasta mit extra viel Menthol gegen schlechten Atem ungenießbar. Ilse war gewillt durchzuhalten, bis das Haus abbrannte. Alois jedoch wurde schwach. Da das Haus vor dem nächsten Winter neue Fenster benötigte, arbeitete er wie ein Tier. Er ging noch vor sieben   Uhr früh aus dem Haus und kam meist erst kurz vor acht zurück. Entgegen der Prinzipien der St.-Petri-Handwerker nahm er sogar Aufträge aus Lenk im Angertal an. Die gut begüterten Bauherren wussten die seit Generationen überlieferten Methoden der Handwerker aus den Bergen zu schätzen, auch wenn sich Alois öfter mit Architekten prügeln wollte, die wagten, ihn infrage zu stellen oder ihm Kommandos zu geben – und das, obwohl deren Hände so weich wie die von Volksschulmädchen waren. Alois kam jeden Abend ausgebrannt und angefressen von der Arbeit, er wollte sich bloß waschen, vor den Fernseher werfen und sein Bier trinken, doch der Rachefeldzug seines Sohnes trieb ihn ins Wirtshaus. Alois war kein Alkoholiker, aber er brauchte sein tägliches Krügerl, um sich zu entspannen.
    An einem dieser Abende, die er am Stammtisch verbrachte, entwickelte sich in der Wirtshausrunde eine Diskussion über Kinder. Alois saß am Stirnende auf einem Stuhl, ihm gegenüber sein Nachbar Karli Ötsch, der seinem Vater sehr unähnlich und ein bei allen beliebter Zeitgenosse war. Links saß Toni Rettenstein, der Ehemann von Ilses bester Freundin Marianne, und am rechten Ende des Stammtisches lehnte Reinhard Rossbrand an der Bank, in den Ilse früher verliebt gewesen war. Normalerweise diskutierte die Stammtischrunde Anliegen des öffentlichen Interesses, wo ein neuer Waldweg gezogen werden sollte, wann man dem Pfarrer mit dem Kirchturmdach helfen wollte, wieso die Fußballmannschaft schon wieder verloren hatte. Reinhard Rossbrand hatte jedoch an jenem Abend die Unterhaltung auf die Kinder gebracht. Reinhard war seit der Pensionierung seines Vaters St.   Peters einziger Briefträger, und er hatte eine unverfängliche,

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