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Blau wie Schokolade

Blau wie Schokolade

Titel: Blau wie Schokolade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathy Lamb
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Armreifen.
    Ich schminkte mich mit Wimperntusche und knallrotem Lippenstift. Und dann wechselte ich die Schuhe.
    Natürlich waren sie rot mit goldenem Muster.
    Der Sieg ist rot. Knallrot.
     
    Ich grinste in die Kameras und beantwortete die Fragen der Journalisten:
    Frauen dürfen nicht nachlassen, um ihr Moutainbike zu kämpfen.
    Ausschlag, Rötung, Striemen – wer betrügt, dem geht’s an den Riemen!
    Lang lebe das Erdnussöl!
    Frauen aller Länder, vereinigt euch!
    Teppichmesser eignen sich nicht nur zum Basteln.
    Jede Frau sollte eine Heißklebepistole im Haus haben.
    Und dabei dachte ich an meine geliebte Mutter.
    Ich sehnte mich nach ihr. Das würde nie vergehen. Doch dann lächelte ich noch breiter, denn das ist das Einzige, was Trauernde tun können. Sie müssen ihren Kummer verbergen und verdrängen, damit sie niemanden damit belasten. Trotzdem sehnte ich mich nach meiner Mutter.
    Sie fehlte mir. Mir fehlte, dass sie jedes Jahr an ihrem Geburtstag eine Zigarre rauchte, um sich in Erinnerung zu rufen, dass sie immer noch ein verrückter Vogel war. Sie nahm nur ein paar Züge, dann hatte sie genug von den wilden Zeiten und verlangte Kuchen.
    Mir fehlte, dass sie mir Kreuze schickte, dass sie mich anfauchte, ich würde viel zu viel arbeiten, ich sei zu dünn, ich hätte einen entsetzlichen Männergeschmack. »Die Männer, die du dir aussuchst, sind nur zu eins gut, Jeanne: sich selbst die Eier zu lecken.« Mir fehlte, wie sie sich für ihre Schüler engagierte und wie sie schimpfte, wenn sie das Gefühl hatte, sie würden sich nicht richtig anstrengen. Meine Mutter glaubte nicht an politisch korrekte Sprache und an das Verhätscheln von Kindern. Sie war eine Verfechterin von Wahrheit, Ehrlichkeit und Disziplin.
    Alle Eltern wollten, dass ihre Kinder bei meiner Mutter in die Klasse kamen.
    Sie fehlte mir so sehr.
    Das würde sich nie ändern. Diese Sehnsucht würde mich niemals verlassen.
     
    Der Rückflug nach Oregon war ereignislos.
    Ich dachte an Jay und meine Mutter, an Becky, Emmaline, Soman, Bradon und wieder an Jay, ich dachte an Rosvita, an die Lopez und immer wieder an Jay.
    Ich dachte über mein Leben nach.
    Dass es über zwanzig Jahre lang ganz gut für mich gelaufen war. In der Zeit war nur mein wunderbarer Vater gestorben.
    Der Verlust von Johnny und Ally hatte mich in ein emotionales Inferno gestürzt.
    In den vergangenen zwölf Jahren hatte ich nicht mehr gelebt, sondern mich nur noch über Wasser gehalten.
    Ich war abgestürzt, und doch hatte ich es diesmal geschafft, Freunde zu finden. Ein Heim zu finden. Einen Sinn im Leben. Und Tiefe. Ich hatte zurück in die Welt gefunden.
    Und ich hatte meine Seele gefunden. Sie war zerschunden und erschöpft, und ich wusste, dass ein Teil von mir immer einsam sein würde, weil ich Johnny, Ally, meine geliebte Mutter und meinen Vater verloren hatte, aber das war halt so. Ich hatte es geschafft, mir ein neues Leben aufzubauen. Ein richtiges Leben. Mit all dem Chaos, der Freude und dem Lachen, die das Leben ausmachen.
    Jetzt brauchte ich nur noch Jay.
     
    Ich wachte auf, weil Rosvita und Becky vor mir standen. Die Sonne warf einen goldenen Strahl durch das neue Dachfenster.
    »Ich hoffe, du bist nicht krank«, sagte Rosvita mit besorgtem Gesichtsausdruck. Sie hatte eine riesengroße rote Blume hinter dem linken Ohr und legte die Hände in den Handschuhen auf meine Schläfen. »Es gibt gewisse Krankheiten, die man an Erschöpfung erkennt. Beispielsweise die Vogelgrippe, latente Masernviren, die Legionärs–«
    Ich streckte mich und genoss das Gefühl, in meinem eigenen Bett unter meiner leichten blauen, von Therese genähten Decke zu liegen. Es war so herrlich, wieder in meinem kleinen Haus zu sein. Dass ich es nicht gegen eine kalte Zelle samt grässlicher Zellengenossin eintauschen musste, machte mir jeden Winkel und jede Ecke noch viel wertvoller. »Ich glaube nicht, dass ich krank bin, Rosvita.«
    »Vielleicht, vielleicht auch nicht.«
    »Warte, Jeanne, ich helfe dir hoch«, sagte Becky. Sie sah nicht mehr aus wie eine lebende Tote. Becky hatte ein wenig zugenommen und machte einen deutlich gesünderen Eindruck. Selbst ihre Augen waren klar und blitzten ein wenig. So ist das mit der Liebe, dachte ich. Mit der Liebe und Rosvitas guter Pflege.
    »Bist du bereit?«, fragte Rosvita.
    »Wofür bereit?«, fragte ich. Wie übel! Ich machte mich auf das Schlimmste gefasst. Was kam denn jetzt bloß auf mich zu?
    »Für dein Willkommensfrühstück«, erklärte

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