Blau wie Schokolade
Rollstuhl. Und es tut mir leid, dass er eine ganze Stunde lang nicht pinkeln konnte. Das ist bestimmt unangenehm. Seeehr unangenehm.« Ich ließ das Wort wirken. »Aber ich handelte ebenfalls aus Angst. Aus panischer Angst. Er hätte mich mit Aids anstecken können. Ich hätte für den Rest meines Lebens krank sein können. Ich hätte unfruchtbar werden können –«
»Das ist alles«, unterbrach mich der Anwalt und zog sich zurück.
Ich wischte mir mit beiden Händen zwei Tränen ab und zog dabei die Augenwinkel nach unten, damit ich ungeheuer elend aussah.
Ich spähte zu den Geschworenen hinüber.
Sie lächelten mich verständnisvoll an.
Ich brachte ebenfalls ein schwaches Lächeln zustande.
Roy war als Nächster an der Reihe. Wo ich den Schlappschwanz kennengelernt hätte? Wie lange wir zusammen gewesen wären? Was wir so zusammen gemacht hätten?
»Hatten Mr Nunley und Sie sich vor dem Zwischenfall mit dem Kondom getrennt?«
»Nein.« Ich schniefte.
»Aber Mr Nunley behauptet, Sie seien getrennt gewesen.«
»Das hat er mir aber nie gesagt!« Wie stolz ich auf meine bebende Stimme war!
»Wann fanden Sie heraus, dass Ihr Freund mit Ms Smythe schlief sowie mit Marisa Kube, Nancy Tettler, Anisha Cable, Kristi Rottendam, Leesa Buddler, Bethy Sattleson, Carrie Morger, Bam-Bam Wham, Susie Come und Latisha Corrinne?«
»Ich wusste die Namen nicht, aber ich fand heraus, dass der Schla–« Ich hustete. »Einen Tag nachdem ich merkte, dass Jared mich mit Gabrielle Smythe betrogen hatte, erfuhr ich, dass er mir ständig untreu gewesen war. Wir hatten einen schrecklichen Streit. Er schien auch noch stolz auf sein Verhalten zu sein. Er meinte, er hätte mit anderen Frauen in meinem Haus geschlafen, in meinem Bett, mehrmals auch in meinem Wagen, den er sich über Nacht oder übers Wochenende ausgeliehen hatte, um angeblich seine Eltern zu besuchen. Dabei war es nicht mal ein großes Auto.«
»Wie ging es Ihnen, als Sie erfuhren, dass Jared Sie betrogen hatte?«
»Ich weinte. Ich konnte gar nicht aufhören. Tagelang.«
Das entsprach nicht ganz der Wahrheit. Ich hatte höchstens aus Frust oder vor Demütigung ein, zwei Tränchen verdrückt. Aber egal.
»Machten Sie sich Sorgen?«
»Nein.«
»Nein?« Roy wurde nervös. Er hatte eine andere Antwort mit mir abgesprochen.
Ich hob meine Stimme um eine Oktave. »Ich machte mir keine Sorgen, ich war starr vor Angst. Bevor ich zum ersten Mal mit Jared schlief, hatten wir uns auf alle Geschlechtskrankheiten untersuchen lassen. Ich war der Meinung, wir führten eine treue Partnerschaft, ich nahm die Pille. Wir benutzten keine Kondome. Ich war starr vor Angst, dass ich mich bei ihm angesteckt haben könnte – mit Herpes oder womöglich sogar mit Aids. Ich möchte gerne eines Tages Kinder haben, und ich hatte eine Riesenangst, dass ich bereits unfruchtbar sein könnte. Ich war am Boden, völlig zerstört. Fuchsteufelswild.«
»Wie ging es weiter?«
»Ich sagte Jared, er solle ausziehen, und er war einverstanden, meinte aber, er bräuchte ein paar Tage, um sich eine Wohnung zu suchen.«
»Was geschah, als er sich weigerte, Ihr Haus zu verlassen?«
»Am nächsten Morgen tat ich so, als sei ich krank, und als er ging, nahm ich das Teppichmesser und ritzte damit die Verpackungen der Kondome in seiner Brieftasche auf. Mit Hilfe einer Pipette tropfte ich Erdnussöl hinein. Mit einer Heißklebepistole verschloss ich die Verpackung wieder und steckte sie zurück in seine Brieftasche.«
»Sie geben zu, dass Sie Erdnussöl in seine Kondome getan haben?«
»Ja, das gebe ich zu. Ich war so …« Und es gelang mir tatsächlich, an dieser Stelle zu weinen. Mein Gott, war ich stolz auf mich! Warum war ich nicht Schauspielerin geworden? »Ich konnte gar nicht begreifen, dass er mich betrogen hatte – schon gar nicht mit so vielen Frauen. Ich war der Ansicht, wir hätten eine super Beziehung. Ich zahlte alles. Ich kümmerte mich um das Haus, um die Wäsche. Ich räumte hinter ihm her, ging mit seiner Ratte zum Tierarzt, veranstaltete Geburtstagsfeiern für ihn, ließ seine Verwandten in meinem Haus übernachten … Ich war gut zu ihm, total liebevoll, und ich konnte einfach nicht begreifen, warum er mich betrog.« Meine Stimme war höher als gewöhnlich, ich senkte den Kopf und strich mir das unordentliche Haar aus dem Gesicht.
»Wollten Sie Jared verletzen?«
»Ich habe ihn nicht verletzt. In meinem ganzen Leben habe ich noch keiner Seele etwas zuleide getan. Ich kann
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