Blau wie Schokolade
Zorn, deine falschen Prioritäten ersticken eure Ehe wie die Schlange das Eichhörnchen. Du wirst dazwischen zermalmt, weil du dich nicht dazu durchringen kannst, dem Wahnsinn ein Ende zu setzen.«
Soman hatte sich nicht, wie aufgetragen, als Frau verkleidet, aber er hatte sich auch nicht geprügelt, was den Vorgaben entsprach. Becky sagte, ihre Woche sei gut gewesen, total gut. Doch sie sah blass und erschöpft aus, geschrumpft zu einem Nichts, und ich wusste, dass sie die alte »Alles ist gut«-Leier draufhatte, wie so viele von uns.
Es gibt Menschen, deren Leben auseinanderfällt, und trotzdem behaupten sie »Alles ist gut«, während andere außerordentliches Glück haben, aber trotzdem ständig klagen und sich beschweren, bis man sich am liebsten erhängen würde, weil man ihr ewiges Geschwafel nicht mehr hören kann.
Ich sagte, ich hätte eine gute Woche gehabt. »Ich habe niemanden verletzt und wurde nicht verhaftet. Ich habe keine peinlichen Reden gehalten. Ich habe keine plötzlichen Entscheidungen getroffen, wie beispielsweise den Kopf in den Häcksler zu stecken. Außerdem habe ich mich bemüht, kein Selbstmitleid zu haben«, erklärte ich. Den Nacktjogger erwähnte ich nicht.
Bradon hielt mir den gereckten Daumen entgegen. Soman sang eine kleine Melodie. »Das ist der Triumphgesang der Hummel«, sagte er. Becky klopfte mir aufs Knie. Ich sah, dass ihr Arm und ihr T-Shirt schmutzig waren.
Als Nächstes ließ Emmaline uns turnen. Wir mussten Rad und Purzelbäume schlagen und wie betrunkene Grashüpfer herumhüpfen.
Im Dunkeln.
Ohne Blödsinn. Emmaline knipste das Licht aus. »Die Dunkelheit soll euch helfen, zu einer gewissen Flexibilität und Stärke, zu Widerstandskraft, Entschlossenheit und Wagemut zu finden«, erklärte sie uns. »Außerdem soll sie euch erinnern, dass ihr im Dunkeln wart und jetzt nach dem Licht sucht, wie winzig es auch ist.«
Sie befestigte kleine weiße Leuchten mit Kreppbändern an unseren Knöcheln und Handgelenken, und wir mutierten zu regelrechten Olympioniken. »Springen!«, rief Emmaline oder: »Purzelbaum! Bradon, du siehst aus wie ein alter Opa mit Verstopfung! Bring mehr Rhythmus in deine Bögen. Sooo! Jetzt alle Rad schlagen, los! So wie Becky! Seht ihr das? Sie ist elegant. Soman, hast du einen Besenstiel im Hintern? Werd locker! Jeanne, so wie du herumhopst, muss ich an Sodbrennen denken. Spring wie eine richtige Frau, spring!«
Emmaline kann einen so wunderbar motivieren!
Nach den Freiübungen ließen wir uns keuchend auf unsere bunten Sitzsäcke fallen.
»Soman, sag uns, was du Neues tun wirst, das bereichernd und ansprechend ist und deinen Kopf auf den Pfad der Vergebung und Sanftmut lenkt, damit du den alten Weg des Zorns verlässt«, sagte Emmaline, und die kleinen Leuchten blitzten an ihren schmalen Fußgelenken.
»Hmm«, machte Soman. »Vielleicht schlage ich das nächste Mal mit der linken Hand zu statt mit der rechten.« Er boxte mit der linken Faust in die rechte Hand, und seine Leuchten glühten im Dunkeln.
Wir bekamen Ärger, weil wir alle lachten, und Emmaline schickte uns zurück an die Sandsäcke.
»Schlagt zu! Zuschlagen! Zuschlagen! Boxt eure Wut heraus!« Sie flatterte mit den Armen und schrie jedem ihre Befehle ins Ohr.
Wir schlugen zu, die kleinen Lämpchen zogen Bögen und Streifen in der Dunkelheit. Wenn einer von uns nachließ, eilte Emmaline sofort herbei und trieb ihn weiter an. »Das ist hier kein Wunschkonzert! Schlag zu, bis du nicht mehr kannst!«
Als sie uns eine Pause gönnte, sackten wir alle zu Boden. Becky war auf allen vieren, ich lag gekrümmt da. Soman und Bradon lehnten stöhnend an der Wand.
»Ihr vier seid die emotional tückischsten zornigen Menschen, die ich je kennengelernt habe«, sagte Emmaline mit zorniger und – darf ich das sagen? – ungläubiger Stimme. »Ihr wollt euren Zorn einfach nicht aufgeben, was?«
Einen Augenblick lang herrschte Schweigen.
»Ich nicht«, brachte Bradon hervor, und sein Schweiß tropfte zu Boden. »Irgendjemand muss große Wut aufbringen, damit sich etwas im Schulsystem ändert, und das bin ich halt.«
»Ich versuche ja, meine Wut loszuwerden, aber sie mag mich irgendwie. Sie lässt mich nicht los. Sie hat mich im Schwitzkasten«, keuchte Soman und warf seine Zöpfe nach hinten. »Aber ich versuche es immer wieder, Emmaline, echt.«
Emmaline schaute Becky an. Becky schüttelte den Kopf, Schweißtropfen rannen ihr müdes Gesicht hinab. »Es ist besser, zornig zu sein, als
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