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Blau wie Schokolade

Blau wie Schokolade

Titel: Blau wie Schokolade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathy Lamb
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ein Schlappschwanz Ihr Mountainbike mitgenommen und Sie betrogen hat. Dass er Sie verlassen hat, tut mir nicht leid, denn er hat Sie nicht verdient. Am meisten tut mir leid, dass ein betrunkener Autofahrer Ihnen Ihren Traum von Mann, fünf Kindern, Katzen und Hühnern genommen hat. Fahren Sie mit Ihrem alten Bronco nicht in den Pazifik, bevor sie die Küste von Oregon entlanggefahren sind. Sie ist wunderschön, und wenn Sie einmal da gewesen sind, wird das Leben anders aussehen. Es tut mir leid, dass in Ihrem Leben so viel geschehen ist, das Ihnen einen Grund gegeben hat, sauer zu sein.«
    Als er fertig war, entrang sich meinem Körper ein gewaltiger Seufzer. Er kam aus so tiefer Seele, dass ich das Gefühl hatte, es sei ein Atemstoß, den ich seit Jahren angehalten hatte. Vielleicht seit zwölf Jahren.
    Ich schloss die Augen.
    Endlich hatte sich jemand entschuldigt.
    Es tat jemandem leid.
    Dann kamen die Tränen, schwer und heiß. Gefühle in flüssiger Form. Sie verwischten mir den Blick, aber das war egal, weil ich den Mann in der Dunkelheit eh nicht gut sehen konnte. Ich blinzelte, und die Tränen rollten mir die Wangen hinunter.
    »Hey«, sagte er. Seine Stimme klang jetzt nicht mehr rau und heiser, sondern honigsüß.
    »Selber hey«, fuhr ich ihn an. »Ich kann weinen, wann ich will. Würden die meisten Frauen tun, wenn ein Fremder auf ihnen säße, obwohl sie nur für den Aggressionsbewältigungskurs nackt am Fluss entlanglaufen wollten!«
    Ich weiß, wie dumm das klang, aber die Hysterie lauerte schon wieder hinter der nächsten Ecke, und es würde nicht mehr lange dauern, bis ich losschreien würde.
    Auf einmal fegte die kühle Bergluft über meinen nackten Körper. Meine Hände waren frei, es lag keine Tonne Gewicht mehr auf meinen zitternden Beinen, meine Brüste wurden nicht mehr von diesem großen Mann zerquetscht.
    Er setzte sich neben mich und schlang die Arme um die Beine. »Bitte schön«, sagte er.
    Ich rappelte mich auf, zog die Knie an die Brust und legte einen Arm über meinen Busen. Mit der anderen Hand wischte ich die Tränen von meinen Wangen.
    »Vielleicht sollten Sie einfach eine Weile weinen«, sagte er.
    Ich lachte. Es klang unaufrichtig. Wie das Lachen einer Verrückten. »Tue ich ja. Ich habe in den letzten Monaten mehr geweint als in zwölf Jahren. Ich habe diesen Fluss hier mit meinen Tränen ansteigen lassen.« Ich warf dem Mann einen Blick zu. Sein Haar war dunkelbraun und hatte einige graue Strähnen. Er hatte ernste Augen, von deren Winkeln fächerförmig Fältchen ausgingen. Wie er so dasaß, hielt ich ihn für ziemlich groß. Auf jeden Fall war er größer als ich.
    Ich wischte meine Tränen fort. »Ich gehe jetzt.«
    »Gut. Soll ich Sie vielleicht nach Hause fahren?«
    »Auf gar keinen Fall!«
    »Warum nicht?«
    »Weil ich nicht zu einem Fremden ins Auto steige.«
    Er schmunzelte. »Sie laufen nackt am Fluss entlang, werden von einem Mann umgerannt, der Sie wieder laufenlässt, und dann wollen Sie nicht zu ihm in den Wagen steigen?« Er hielt inne, schaute auf den Fluss, dann wieder auf mich. »Aber wo ich jetzt drüber nachdenke, ist es wohl eine gute Entscheidung. Ich laufe mit Ihnen zurück. Haben Sie vielleicht Ihre Klamotten im Rucksack dabei?«
    »Sie laufen mit mir zurück?« Na, herrlich: ein persönlicher Nacktlauf-Begleiter.
    »Ja.«
    »Warum?«
    »Damit Ihnen nichts passiert.«
    »Mir passiert schon nichts.«
    Wieder zuckte es um seinen Mund.
    Dieser Mann hatte offenbar Schwierigkeiten, seine Belustigung zu unterdrücken. »Ziehen Sie sich an!«
    »Nein.«
    »Nein?« Sein Kinn fiel mir auf. Sehr kantig. Man sah, dass er gewohnt war, Befehle zu erteilen.
    »Sie wollen nackt mit mir den ganzen Weg zurücklaufen?« Und erneut zuckte es.
    »Ich verzichte auf das Nacktjoggen, und Sie müssen nicht mit mir zurücklaufen.«
    »Da gibt’s nichts zu diskutieren.«
    Er stand auf. O ja: Er war sehr groß und hatte Schultern wie ein Bauarbeiter. »Sie haben recht.« Ich wunderte mich über meine eigene Schüchternheit. »Ich ziehe mich an. Drehen Sie sich bitte um.«
    Er musste grinsen. »Ich glaube, ich habe schon alles gesehen.«
    »Sie finden das sehr lustig, nicht?«
    Sein Lächeln verschwand. »Ich finde das gar nicht lustig. Vor allem Ihre Situation finde ich alles andere als lustig. Ich finde sie tragisch. Ich finde sie traurig. Jedenfalls sind Sie der ehrlichste Mensch, den ich seit langem kennengelernt habe. Der aufrichtigste und offenste. Das rechne ich Ihnen hoch

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