Blau wie Schokolade
lassen mussten, in denen darauf herumgehackt wurde, wie stur und geizig die Schulbehörde sei. Mutters legendäre Vorträge wurden in voller Länge in der Zeitung abgedruckt.
Und doch nahmen alle Mitarbeiter der Behörde – samt ehemaligen Beamten – an ihrer Beerdigung teil.
Meine Mutter lachte immer, sie tanzte durchs Leben. Sie genoss es in vollen Zügen.
Was würde ich nicht alles tun, um wieder das Zuschlagen ihrer Schranktüren auf meinem Anrufbeantworter zu hören!
Wenn ich in Rosvitas Bed & Breakfast auf dem Balkon stand, konnte ich mein heruntergekommenes, verfallenes Haus sehen. Heute kam der erste Handwerker, um sich einen Eindruck vom Arbeitsaufwand zu verschaffen.
Das Haus sah aus wie runtergeschlungen und wieder ausgespuckt, aber irgendwie war ich zuversichtlich, das ändern zu können.
Später sollte ich noch über meinen naiven Optimismus lachen, aber als ich an jenem Morgen meinen koffeinfreien Kaffee trank und eine Zimtschnecke mümmelte, schien mir alles ein wenig besser zu werden.
Seit dem Nacktjoggen waren acht Tage vergangen, und irgendwie war mein Körper seither entflammt.
Ich dachte viel über den Nacktjogger nach. Ich fragte mich, ob er vier Exfrauen hatte und von Drogendealern gesucht wurde. Ob er vielleicht eine Freundin hatte. Ob er immer so lachte, so tief und grollend. Ob seine raue, honigsüße Stimme mich auf alle Zeit verfolgen würde. Ich hatte keine Zweifel daran, dass er es ernst gemeint hatte, als er sagte, es tue ihm leid, dass ich so aggressiv sei, meine Aggressivität sei gerechtfertigt. Ich wusste, dass er es ernst gemeint hatte.
Ich dachte viel über ihn nach, und das wunderte mich.
Was mich noch mehr erstaunte, war das warme, schwindelnde Gefühl, das mich immer ergriff, wenn ich an ihn dachte.
Ich überlegte, ob er zu den Männern gehörte, die ihrer Frau oft sagen, dass sie sie lieben, oder eher zu der Sorte, die es ihr einfach zeigt.
Ich hatte das Gefühl, dass er zur zweiten Kategorie gehörte, was wiederum bedeutete, dass er keine Probleme hätte, Frauen in die Kiste zu bekommen.
Das begreifen die meisten Männer einfach nicht.
Wie man Frauen in die Kiste bekommt, meine ich.
Sie glauben, die Worte »Ich liebe dich« reichten als heißes Vorspiel.
Man hört diese Worte gern, wenn man sowieso überzeugt ist, dass der andere einen von ganzem Herzen liebt, wenn man ihm, der Beziehung und der Zukunft vertraut, und wenn man weiß, dass der Sex gut und richtig ist und der Mann auch noch am nächsten Morgen und am Morgen danach da sein wird, selbst an dem Morgen, wenn man Nierensteine hat oder um die tote Mutter trauert, oder an dem Morgen, wenn man mit fünfundneunzig ins Pflegeheim gebracht wird, dass er da ist, alles gepackt hat und mitkommt, damit man nicht allein ist.
Im Laufe der Jahre hatten mir verschiedene Männer gesagt, sie liebten mich, doch ich hatte keinem von ihnen geglaubt, weil ich wusste, dass sie es nicht ernst meinten. Ich liebte keinen von ihnen, deshalb sagte ich es auch nie zu einem von ihnen, außer zu Johnny.
Er war der einzige Mann, zu dem ich je »Ich liebe dich« gesagt hatte. Er sagte es mir ständig. Dachte sich sogar auf der Gitarre Lieder über seine Liebe aus. Ich erwiderte die Liebeserklärung mit einem Lied auf meiner Geige. Johnny war der Einzige, dem ich vertraute, wenn ich mit ihm ins Bett ging. Der Einzige, von dem ich wusste, dass er am nächsten Morgen und am Morgen danach da sein würde.
Doch ob ein Mann eine Frau aufrichtig und von ganzem Herzen liebt, erkennt man nur an seinen Taten.
Wenn ein Mann zum Beispiel stundenlang den Herd von Hand putzt, weil er weiß, dass seine Frau die Arbeit hasst, und er sie eigentlich auch hasst, es aber trotzdem tut, dann wüsste ich, dass dieser Mann einfach alles für seine Frau tun würde.
Oder wenn ein Mann mit seiner Frau einmal die Woche einen älteren Verwandten im Pflegeheim besucht oder wenn er einen Picknicktisch für sie zimmert, damit sie draußen Aquarelle malen kann, dann wüsste ich, dass er sie von ganzem Herzen liebt.
Die Worte »Ich liebe dich« sind nämlich nicht mehr als das – drei Worte. Hintereinander. Schnell gesagt. Null Problemo. Sie werden selbst von Männern ausgesprochen, die ihre Frauen betrügen oder sie regelmäßig bewusstlos schlagen. Auch von solchen, die böse und sarkastisch sind und keinen Handschlag für ihre Frau tun.
Meiner Meinung nach zeigt sich die Liebe in Taten. Wenn ich jemals wieder heiraten sollte –
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