Blauer Montag
der aussah wie ein Gesicht mit einer Hakennase. Bestimmt war es das Gesicht einer Hexe. Ein Fleck war von ihm. Es gab auch eine Tür, aber die öffnete sich nicht für ihn. Selbst wenn er Hände hätte, die er benützen könnte, würde er es nicht schaffen, durch die Tür zu gelangen. Das wusste Matthew. Auf der anderen Seite war etwas, das ihn fangen würde.
Detective Constable Yvette Long ließ den Blick durch das Wohnzimmer der Faradays schweifen. Auf dem Boden lagen Spielsachen verstreut: ein großer roter Plastikbus und mehrere kleine Autos, Bücher zum Lesen und Bilderbücher, eine Affen-Handpuppe. Auf dem Couchtisch entdeckte die Polizistin einen großen linierten Block mit Matthews Schreibversuchen: mühsam mit einem roten Filzstift gekrakelte Buchstaben, die Bs und Ds jeweils falsch herum. Ihr gegenüber saß Andrea Faraday. Ihr langes rotes Haar war zerzaust und fettig, ihr Gesicht verquollen. Für Yvette sah sie aus, als hätte sie tagelang nur geheult.
»Was soll ich Ihnen noch erzählen?«, fragte Andrea. »Es gibt nichts zu erzählen. Nichts. Ich weiß einfach nichts. Glauben Sie, ich würde es Ihnen nicht sagen? In meinem Kopf dreht sich schon alles, so oft bin ich es in Gedanken durchgegangen.«
»Ist Ihnen denn gar nichts Verdächtiges aufgefallen? Irgendeine seltsame Gestalt, die herumhing?«
»Nein! Nichts. Wenn ich nicht zu spät gekommen wäre – mein Gott, wenn ich nur nicht zu spät gekommen wäre! Bitte bringen Sie ihn mir zurück. Meinen kleinen Jungen. Er macht nachts manchmal sogar noch ins Bett.«
»Ich weiß, wie qualvoll das für Sie ist. Wir tun alles in unserer Macht Stehende. In der Zwischenzeit …«
»Diese Leute wissen doch nichts über ihn. Er reagiert allergisch auf Nüsse. Was, wenn sie ihm Nüsse zu essen geben?«
DC Long versuchte ihren gütigen Gesichtsausdruck beizubehalten und legte tröstend die Hand auf Andreas Arm. »Vielleicht fällt Ihnen noch etwas ein, das uns weiterhelfen könnte.«
»Er ist doch im Grunde noch ein Baby. Bestimmt weint er nach mir, und ich kann nicht zu ihm. Können Sie sich vorstellen, wie sich das anfühlt? Ich hatte den Bus verpasst und war zu spät dran.«
Jack hatte Friedas Rat befolgt. An diesem Tag trug er eine schwarze Hose, ein blassblaues Hemd, bei dem nur der oberste Knopf offen stand, und eine graue Wolljacke, bei der, wie Frieda bemerkte, die Taschen noch zugenäht waren. Seine glänzenden schwarzen Halbschuhe machten einen billigen Eindruck. Vermutlich klebten die Preisetiketten noch an den Sohlen. Er hatte sich sogar das Haar aus dem Gesicht gekämmt und sich rasiert, auch wenn er unter dem Kinn einen Fleck übersehen hatte. Nun wirkte er nicht mehr wie ein unordentlicher Student, sondern wie ein Buchhalterlehrling oder vielleicht auch ein frisch angeworbenes Mitglied einer religiösen Sekte. Jack warf hin und wieder einen Blick in sein Notizbuch und sprach über seine Fälle. Er ging dabei ziemlich planlos vor, sodass es Frieda schwerfiel, sich zu konzentrieren. Verstohlen spähte sie auf ihre Uhr. Mit einem Nicken gab sie Jack zu verstehen, dass sie am Ende ihrer Besprechung angelangt seien. Dann sagte sie zu ihm: »Stellen Sie sich vor, ein Patient gesteht Ihnen ein Verbrechen. Was tun Sie?«
Jack setzte sich ein wenig aufrechter hin. Misstrauisch starrte er sie an. Versuchte Frieda, ihm eine Falle zu stellen? »Was für eine Art von Verbrechen? Fahren mit überhöhter Geschwindigkeit? Ladendiebstahl?«
»Nein, ich meine etwas wirklich Schlimmes. Wie zum Beispiel Mord.«
»Nichts verlässt den Raum«, antwortete Jack zögernd. »Das versprechen wir den Leuten doch, oder?«
»Sie sitzen nicht als Priester im Beichtstuhl«, entgegnete Frieda lachend. »Sie sind ein normaler Bürger. Wenn jemand Ihnen einen Mord gesteht, rufen Sie die Polizei.«
Jack lief rot an. Er hatte den Test nicht bestanden.
»Aber mal gesetzt den Fall, Sie haben lediglich den Verdacht , dass ein Patient ein Verbrechen begangen hat. Was dann?«
Jack zögerte erneut. Nervös kaute er an der Spitze seines Daumens herum.
»Es geht mir nicht um falsche oder richtige Antworten«, fügte Frieda hinzu.
»Worauf beruht Ihr Verdacht?«, fragte er schließlich. »Nur auf einem Bauchgefühl? Ich meine, man kann nicht einfach aufgrund eines Bauchgefühls zur Polizei gehen, oder? Mit solchen Gefühlen liegt man oft völlig falsch.«
»Ich weiß nicht.« Frieda sprach mittlerweile mehr mit sich selbst als mit ihm. »Schwer zu sagen.«
»Das
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