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Blauer Montag

Blauer Montag

Titel: Blauer Montag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N French
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fast, wo sie sich befand. Die Jahre lösten sich in Luft auf, und sie war wieder eine Studentin, die mit ihrem Mentor Reuben über ihre Ängste sprach. Er konnte richtig gut zuhören, wenn er wollte. Dabei saß er leicht nach vorn gebeugt und wandte den Blick keine Sekunde von ihrem Gesicht ab.
    »Tja«, sagte sie am Ende, »verstehst du jetzt, was ich meine?«
    »Erinnerst du dich an die Patientin, die du vor Jahren mal hattest? Sie hieß Melody oder so ähnlich.«
    »Du meinst Melanie?«
    »Ja, genau die. Sie war eine typische psychosomatisch reagierende Patientin. Reizmagen, Schwindelanfälle bis hin zur Ohnmacht, das ganze Programm.«
    »Und?«
    »Ihre Ängste und unterdrückten Gefühle kamen durch ihre körperlichen Symptome zum Ausdruck. Die Patientin konnte sich ihre Probleme nicht eingestehen, aber ihr Körper fand eine Möglichkeit, sie zum Ausdruck zu bringen.«

    »Du glaubst also …«
    »Es gibt sehr seltsame Leute mit noch seltsameren Vorgängen im Gehirn. Denk an die Frau, die eine Allergie gegen das zwanzigste Jahrhundert hatte. Worum ging es dabei? Ich vermute, Alan tut etwas Ähnliches. Weißt du, Panik ist manchmal etwas frei Schwebendes, das sich an alles hängt, was gerade des Weges kommt.«
    »Ja«, antwortete Frieda langsam, »aber seine Gedanken kreisten ausgerechnet um einen rothaarigen kleinen Jungen, und zwar kurz bevor Matthew verschwand.«
    »Hmm. Auf jeden Fall war es eine gute Theorie. Im Grunde ist es immer noch eine gute Theorie – nur trifft sie auf dich selbst zu und nicht auf deinen Patienten.«
    »Genial.«
    »Ich meine das durchaus ernst, zumindest bis zu einem gewissen Grad: Du bist wegen Alan nervös, weil du nicht ganz schlau aus ihm wirst. Deswegen verbindest du seinen Fantasiesohn mit einem passenden Symbol.«
    »Ein entführtes Kind ist ja wohl kaum ein Symbol.«
    »Warum nicht? Alles ist ein Symbol.«
    »Schwachsinn«, sagte Frieda, musste aber trotzdem lachen. Ihr war schon viel wohler. »Und was ist mit dir?«
    »Ach ja, klar. Nun ist es an dir, einen Rat zu erteilen. Hier sitze ich, habe weder Frau noch Job und trinke schon eine ganze Weile Gin aus Kaffeetassen. Was empfehlen Sie mir, Frau Doktor? Hat das nicht alles etwas mit meiner Mutter zu tun?«
    Frieda blickte sich ruhig um. »Ich finde, du solltest aufräumen.«
    »Bist du neuerdings Behavioristin?«, fragte Reuben in sarkastischem Ton.
    »Ich mag bloß kein Chaos. Ein bisschen mehr Ordnung würde dir bestimmt nicht schaden.«
    Reuben schlug sich so fest gegen den Kopf, dass Frieda erschrocken
zusammenzuckte. »Es hat keinen Sinn, seine Umgebung aufzuräumen, solange man hier drin am Rad dreht.«
    »Wenigstens könntest du dann in einem ordentlichen Haus am Rad drehen.«
    »Du klingst wie meine Mutter.«
    »Ich mochte deine Mutter.«
    Es klopfte an der Tür.
    »Wer, zum Teufel, kann das sein?«, stieß Reuben gereizt hervor. Er schlurfte aus dem Raum. Frieda griff nach ihrem Kaffeebecher und schüttete seinen Inhalt über das schmutzige Geschirr im Spülbecken. Reuben kehrte in die Küche zurück. »Irgendein Typ fragt nach dir.«
    Hinter ihm tauchte Josef auf.
    »Das ging aber schnell«, meinte Frieda.
    »Ist der von einer Putztruppe?«, fragte Reuben.
    »Ich bin Bauarbeiter«, erklärte Josef feierlich. »Haben Sie eine Party gefeiert?«
    »Was will der Mann hier?«, wandte Reuben sich erneut an Frieda.
    »Ich habe ihn gebeten herzukommen«, antwortete sie. »Er schuldet mir einen Gefallen. Für den du bezahlen wirst. Also sei höflich zu ihm. Josef, ich habe mich gefragt, ob Sie hier vielleicht das eine oder andere reparieren könnten. Zum Beispiel die Türklingel und ein gesprungenes Fenster. Und eine Lampe, die bald von der Decke fällt.«
    »Der Boiler funktioniert auch nicht richtig«, meldete Reuben sich zu Wort.
    Josef schaute sich interessiert um. »Ist Ihnen die Frau davongelaufen ?«
    »Sie war nicht meine Frau«, entgegnete Reuben, »und ja, sie ist mir davongelaufen. Wie Sie sehen können. Das habe ich alles ganz allein geschafft.«
    »Das tut mir leid«, sagte Josef.
    »Ich brauche Ihr Mitleid nicht«, fauchte Reuben.

    »O doch, genau das brauchst du«, widersprach Frieda. Sie berührte Josef leicht an der Schulter. »Vielen Dank. Und Sie hatten recht. Reden allein reicht nicht immer aus. Manchmal muss man etwas tun.«
    Josef äußerte seine Zustimmung auf für ihn typische Art, indem er galant den Kopf neigte.

15
    F rieda?«
    »Entschuldige.«
    »Du bist gar nicht richtig da. Woran denkst du

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