Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blaulicht

Blaulicht

Titel: Blaulicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nacke
Vom Netzwerk:
. Dort verkehrt ebenfalls nicht gerade Ihre Altersklasse.«
    Gerlach steigert sich in eine dieser Abwehrreaktionen hinein, die Kalz nur zu genau kennt.
    »Sagen Sie mal – um wen geht es hier eigentlich? Um die Kovács oder um mich? Was stellen Sie mir denn da für Fragen?«
    In dem Augenblick scheint Gerlach selbst zu registrieren, wie unangenehm schrill seine Stimme geworden ist. Er sackt in sich zusammen und presst seine Hände gegen die Schläfen.
    »Entschuldigen Sie. Ich kann Ihnen im Augenblick nicht mehr sagen.« Sein Gesicht verzerrt sich. »Diese rasenden Kopfschmerzen kommen wieder. Bestimmt gibt es Leute, die Ihnen mehr erzählen können. Ihre Eltern. Oder Mitschüler vom Gymnasium. Fragen Sie doch die.«
    Und Kalz verabschiedet sich mit dem unguten Gefühl, dass seine Bohrungen knapp am Wahrheitsvorkommen vorbeigeführt haben.
     
    *
     
    Kascha sitzt schon auf einem der ehemals weißen, nach vielen fränkischen Sommern angegrauten Gartensesseln des   Café Kiosk   in der Rosenau und schaut scheinbar interessiert auf die flimmernde Leinwand, von der herab ein Sportmoderator mit irgendwelchen Gästen darüber debattiert, ob es einem Trainer der deutschen Nationalmannschaft anstünde, vor laufender Kamera in der Nase zu bohren. »Jogi popelt!« war die heutige Schlagzeile unzähliger Boulevardzeitungen zwischen Flensburg und Rosenheim, also kam auch das öffentlich-rechtliche Fernsehen offensichtlich nicht um dieses Thema herum – Bildungsauftrag ist Bildungsauftrag.
    Zoe hat sich ein kurzes Sommerkleid übergestreift und sieht mit ihrem Pferdeschwanz und den störrischen Ponyfransen an diesem Abend aus wie eine sehr junge, sehr südländische Studentin. Zügig geht sie auf den Tisch zu, an dem Kascha sitzt. Ihre Bestellung hat sie bei der vorbeieilenden Bedienung schon aufgegeben: »Kirschsaftschorle, groß und bitte, bitte kalt!«
    Vor Kascha steht ein Glas Weißwein, an dessen Wänden hauchfeine Wassertröpfchen kondensiert sind und wie die Manifestation von Frische wirken. In der Rosenau steht die Luft, und der einzige Wind, der an diesem Abend ums   Café Kiosk   weht, wird durch das Schlagen unzähliger Moskitoflügel erzeugt. Als die Kirschsaftschorle vor Zoe auf dem runden Marmortisch steht, hat sie schon den ersten juckenden Stich am Oberschenkel.
    »Wie geht es Sandra Kovács?«, will Zoe wissen.
    Auf dem Rand von Kaschas Weinglas hat sich ein kleiner Nachtfalter niedergelassen und schlürft durstig das Wasser, das wie Tau darauf liegt. Kascha seufzt.
    »Sagt Ihnen die Abkürzung PTBS etwas?«
    Zoe zieht die Augenbrauen in die Höhe und schaut die Psychologin mit wachem Gesicht an:
    »Ja, sie steht für posttraumatische Belastungsstörung. Wenn ich mich richtig erinnere, nannte man es früher Schreckneurose, Kriegszittern oder Granatenherz. Eine befreundete Kommilitonin in Heidelberg hat darüber vor einigen Jahren ihre Facharbeit geschrieben.«
    »Eine kluge Entscheidung«, sagt Kascha bitter, »wir haben den Krieg zwar aus unserem direkten Blickfeld verbannt, aber die vielen Kriege überall auf der Welt fordern auch hier ihren Tribut. Leider gibt es noch immer keine verlässlichen Zahlen darüber, wie viele deutsche Soldaten aus dem Irak oder aus Afghanistan mit einem schweren Trauma zurückkommen. Und ich denke, diese Zahlen werden aus gutem Grund unter Verschluss gehalten, nur auf psychologischen Fachkongressen ist das ein immer wichtiger werdendes Thema. Aber natürlich gibt es PTBS nicht nur bei Soldaten.«
    »Und Sie denken, Sandra leidet darunter?« folgert Zoe.
    Kascha beobachtet den grauen Falter auf ihrem Weinglas, der seinen Rüssel immer noch in die Kondenswassertropfen taucht. Dann erzählt sie Zoe von Dr. Weller, von dem, was sich vor Kurzem auf dessen Station abgespielt hat, erzählt von der Wasserkaraffe und Sandras Reaktion auf die Nachricht, dass Gerlach ihre Attacke relativ unbeschadet überstanden habe. Erzählt auch von ihrem persönlichen Eindruck bei der ersten Begegnung mit der Patientin, die innerlich wie erstarrt auf sie gewirkt hatte und trotzdem ans Bett gefesselt worden war, und von ihrem vergeblichen Versuch, Sandra ein paar Worte zu entlocken und mit dem Diktiergerät festzuhalten.
    »Wie es aussieht«, stellt sie schließlich resigniert fest, »ist dies keine Lappalie, die sich an einem Wochenende erledigen lässt – aber genau das wird von mir erwartet. Mattusch hat mir vorhin noch mitgeteilt, dass die Staatsanwaltschaft immer mehr Druck macht. Ich werde

Weitere Kostenlose Bücher