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Blaulicht

Blaulicht

Titel: Blaulicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nacke
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Slovan .«
    »Bitte? Er ist   wo   bekannt? Krtschmakrokodili---   was ?«
    » Krˇcma u Krokodýlího Ocasu.   Heißt auf Deutsch ›Kneipe zum Krokodilschwanz‹.«
    »Ist das wirklich eine Kneipe? Oder eher so ein Nachtclub?«
    »Es ist so was wie Nachtclub. Aber nicht diese Sorte, was Sie meinen. Mehr wie amerikanischer Club mit Jazzmusik. Für junge Leute.«
    »Gehört der Club zur Drogenszene?«
    »Nein.«
    »Könnte er dort Kontakt zu Prostituierten finden?«
    »Nein, nicht im   Krˇcma u Krokodýlího Ocasu . Was ist Gerlach für ein Mann?«
    »Hochgradig pervers.«
    »Dann ist er an Grenze gut aufgehoben. Warum soll ein Mann aus Deutschland bis nach Plzeˇn fahren?«
    »Wie heißt das Hotel noch mal, in dem er abgestiegen ist?«
    »Hotel   Slovan . Ein altes Haus in Jugendstil. Dort ist er mehrere Male gewesen in diesem Jahr. Zuletzt im Mai. Ich schicke Ihnen gleich E-Mail mit allen Daten.«
    »Und was macht Jáchym?«
    »Gibt nichts Neues. Und Ihr Russe?«
    »Der ist tot.«
     
    *
     
    Die Hand verwest, das Papier zerfällt, die Tinte fließt nicht mehr, und doch ist die Geschichte nicht zu Ende. Die Hand verwest, der Bogen löst sich auf, das Cello zerfällt, und doch ist die Musik nicht zu Ende. Denk nicht, dass unser Gebein nachts auf den Gräbern tanzt! Das erste, was du spürst, ist, dass du nicht mehr spüren kannst. Dann: dass du nicht mehr schlafen kannst, nicht essen, nicht trinken. So lange du   nicht können   denkst, so lange bist du nicht wirklich tot. Erst wenn du froh geworden bist und denkst: Ich muss nicht mehr – nicht mehr spüren, nicht mehr schlafen, nicht essen, nicht trinken – dann bist du tot.
     
    *
     
    Kalz muss sich eingestehen, dass er trotz der Lektüre des Protokolls die Musiklehrer aus seiner eigenen Schulzeit nicht vollständig aus dem Kopf bekommen hatte. Die waren allesamt läppische Figuren gewesen, denen manche Schulklassen kollektiv die Verachtung für Person und Fach demonstrierten – etwa, indem Pfennigmünzen nach vorn geworfen wurden, wenn der Lehrer irgendein fades Chopinstück spielte. Aber dieser Gerlach, an dessen Bett er jetzt sitzt, wirkt wie einer, dem es keine Mühe macht, seine Schüler im Griff zu haben. Bleibt die Frage, inwieweit er sich selbst im Griff hat.
    »Das Mädchen, das Sie attackiert hat, Sandra Kovács, war bis vor drei Jahren Schülerin am Haßler-Gymnasium, an dem Sie Musiklehrer sind. Können Sie mir das bestätigen?«
    Gerlach nickt.
    »Was könnte, Ihrer Ansicht nach, Sandra Kovács zu dieser Tat bewogen haben?«
    »Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht.«
    »War Sandra Kovács«, und jetzt kommt in Kalz’ sachlich-unterkühlten Tonfall eine geradezu musikalische Betonung, » irgendeine   Schülerin?«
    »Nein.«
    Kalz’ Sensoren haben Gerlachs doppelte Beteuerung des Nichtwissens ebenso registriert wie dieses merkwürdig karge »Nein«.
    »Also eine besondere Schülerin?«
    »Sie war hochbegabt.«
    »Und Sie haben sie unterrichtet.«
    Gerlach greift nach dem Verband an seinem Hals.
    »Ich war Musiklehrer in ihrer Klasse, ja.«
    »Einzelunterricht haben Sie ihr also nicht gegeben?«
    »Doch. Es gab auch Einzelstunden. Das ist zwar nicht unbedingt üblich. Aber Sandra Kovács hatte das Ta... – hätte das Talent gehabt, eine ganz außergewöhnliche Cellistin zu werden. Das hat einen gewissen Ehrgeiz in mir geweckt. Ich wollte sie fördern.«
    »Herr Gerlach, ich muss Ihnen die Frage stellen, ob es bei diesen Einzelstunden zu Handlungen Ihrerseits kam, die man als ›sexuelle Nötigung‹ bezeichnen könnte. Sie verstehen?«
    »Nein!« sagt Gerlach spontan, »ganz gewiss nicht. Niemals! Wie kommen Sie darauf?« und macht auf Kalz, zu dessen Verblüffung, zum ersten Mal einen grundehrlichen Eindruck.
    »Das sollten Sie eigentlich wissen. Eine Schülerin hat einmal Anzeige gegen Sie erstattet wegen versuchter Vergewaltigung.«
    »Diese erlogene Geschichte!« Gerlach winkt müde ab. »Sie müssen doch herausgefunden haben, dass das völlig aus der Luft gegriffen war von dieser … dieser …«
    »Das mag sein. Was aber bestimmt nicht aus der Luft gegriffen ist, sind die Aussagen von Andrea Meinrad und Michaela Probst. Oder Jana und Cleo, ganz wie Sie wollen.«
    Dem Gerlach verfärben die Namen das Gesicht.
    »Sie erinnern sich?« hakt Kalz nach. »Falls nicht, kann ich Ihr Gedächtnis auffrischen.«
    »Mit meinen Schülerinnen«, äußert der Musiklehrer nach einer Pause, »hat das nichts zu tun. Nicht das Geringste.

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