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Blausäure

Blausäure

Titel: Blausäure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Puderdöschen, einen Lippenstift, mein Taschentuch, meinen Abendkamm in seinem Futteral und einen Schilling und einige Sixpence-Münzen. Jemand hat dieses Papier in meine Tasche gesteckt – jemand hat es absichtlich getan! Und ich erinnerte mich daran, dass man so ein Tütchen in Rosemarys Handtasche fand, nachdem sie gestorben war, und dass es Zyankali enthielt. Ich hatte Angst, Anthony, schreckliche Angst! Meine Finger wurden ganz schlaff, und das Tütchen flatterte herunter unter den Tisch. Ich ließ es liegen. Und ich sagte nichts. Ich hatte zu große Angst. Jemand wollte den Eindruck erwecken, als hätte ich George getötet. Aber ich war es nicht.»
    Anthony stieß einen langen Pfiff aus.
    «Und niemand hat es gesehen?»
    Iris zögerte.
    «Ich bin mir nicht sicher», sagte sie langsam. «Ich glaube, Ruth hat mich beobachtet. Aber sie sah selber so betäubt aus, dass ich nicht weiß, ob sie es wirklich bemerkt hat – oder ob sie nur durch mich hindurchgesehen hat.»
    Anthony pfiff noch einmal.
    «Das ist ein schöner Schlamassel!», meinte er.
    «Es wurde immer schlimmer», sagte Iris. «Ich hatte solche Angst, dass die Polizei es herausfinden würde.»
    «Ich frage mich, warum deine Fingerabdrücke nicht darauf waren? Als Erstes haben sie es doch sicher auf Fingerabdrücke untersucht.»
    «Vermutlich, weil ich es mit dem Taschentuch gehalten habe.»
    Anthony nickte. «Ja, da hast du Glück gehabt.»
    «Aber wer könnte es mir zugesteckt haben? Ich hatte das Täschchen den ganzen Abend über bei mir.»
    «Das ist nicht so unmöglich, wie du denkst. Als du nach dem Variete tanzen gingst, hast du die Tasche auf dem Tisch liegen lassen. Da mag sich jemand daran zu schaffen gemacht haben. Und da sind die anderen Frauen. Könntest du mal aufstehen und mir vorführen, wie sich eine Frau in der Damengarderobe verhält? Davon weiß ich nichts. Steht ihr alle beieinander und plaudert, oder geht jede an einen anderen Spiegel?»
    Iris dachte nach.
    «Wir sind alle zum selben Schminktisch hinübergegangen – einem großen, langen mit einer Glasplatte. Und wir haben unsere Taschen abgelegt und unsere Gesichter geprüft, verstehst du?»
    «Nein, eigentlich nicht. Erzähl weiter!»
    «Ruth hat ihre Nase gepudert, und Sandra hat ihr Haar gerichtet und eine Haarnadel festgesteckt, und ich habe meinen Fuchskragen abgelegt und der Garderobiere gegeben, und dann sah ich, dass ich etwas Schmutz auf der Hand hatte – einen Spritzer –, und ich ging zu den Waschbecken hinüber.»
    «Und die Tasche hast du auf dem Tisch liegen lassen?»
    «Ja. Und ich habe mir die Hände gewaschen. Ruth trug noch etwas Makeup auf, glaube ich, und Sandra gab ihren Umhang ab, und dann kam sie an den Spiegel zurück, und Ruth kam und wusch ihre Hände, und ich ging zurück an den Tisch und machte meine Haare noch ein bisschen zurecht.»
    «Demnach hätte jede der beiden etwas in deine Tasche stecken können, ohne dass du es gesehen hättest?»
    «Ja, aber ich kann nicht glauben, dass Ruth oder Sandra so etwas tun würden.»
    «Du denkst zu edel von den Menschen. Sandra ist eine dieser gotischen Kreaturen, die im Mittelalter ihre Feinde auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen pflegten – und Ruth gäbe die verheerend raffinierteste Giftmischerin ab, die je auf dieser Erde gewandelt ist.»
    «Wenn es Ruth war, warum hat sie dann nicht ausgesagt, dass ich das Tütchen fallen ließ?»
    «Da hast du mich erwischt! Wenn Ruth dir absichtlich Zyankali zugesteckt hätte, hätte sie verdammt noch mal aufgepasst, dass du es nicht losgeworden wärst. Es hat also den Anschein, als wäre es nicht Ruth gewesen. Der Kellner ist weit und breit der Hauptverdächtige! Der Kellner, der Kellner! Wenn wir nur einen fremden Kellner hätten, einen eigenartigen Kellner, einen Aushilfskellner nur für diesen Abend! Stattdessen haben wir Giuseppe und Pierre, und die passen einfach nicht…»
    Iris seufzte. «Ich bin so froh, dass ich es dir gesagt habe. Jetzt wird es nie jemand erfahren, nicht wahr? Nur du und ich?»
    Anthony sah sie verlegen an.
    «So einfach ist es nicht, Iris. Im Gegenteil, du kommst jetzt mit mir in einem Taxi zum alten Kemp. Wir können dies nicht für uns behalten.»
    «O nein, Anthony! Sie werden denken, dass ich George umgebracht habe!»
    «Das werden sie mit Sicherheit denken, wenn sie später herausfinden sollten, dass du in dieser Sache stillgehalten und dich die ganze Zeit über nicht gemuckst hast! Dann wird deine Erklärung äußerst fadenscheinig

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