Blausäure
Gebräu warf und gründlich umrührte, «dieser Fall wird nie vor Gericht kommen. Wir werden die Beweise nie im Leben zusammenkriegen.»
«Glauben Sie nicht?», fragte Race.
Kemp schüttelte den Kopf und genehmigte sich genießerisch einen Schluck Tee.
«Die einzige Hoffnung bestand im Nachweis, dass einer der fünf Beteiligten tatsächlich Zyankali gekauft oder in Gebrauch hatte. Fehlschlag auf der ganzen Linie! Es wird ewig einer dieser Fälle bleiben, bei denen man weiß, wer der Schuldige ist, es aber nicht beweisen kann.»
«Sie wissen also, wer es war?» Anthony sah den Inspektor interessiert an.
«Nun, ich bin ziemlich sicher, dass es Lady Alexandra Farraday gewesen ist.»
«Das ist also Ihr Tipp», sagte Race. «Und die Gründe?»
«Kriegen Sie gleich. Meiner Meinung nach ist sie der krankhaft eifersüchtige Typ. Und autokratisch dazu. Wie diese Königin im Mittelalter – Eleonore von irgendwas –, die dem Fingerzeig ins Gemach der schönen Rosamunde folgte und sie vor die Wahl stellte: Dolch oder ein Becher Gift!»
«Nur dass sie in diesem Fall der schönen Rosemary keine Wahl ließ», bemerkte Anthony.
Chief Inspector Kemp fuhr fort:
«Jemand gibt Mr Barton einen Tipp. Er schöpft Verdacht – und ich würde sagen, einen ziemlich konkreten Verdacht. Er wäre wohl kaum so weit gegangen, ein Haus auf dem Land zu kaufen, wenn er die Farradays nicht wirklich unter die Lupe hätte nehmen wollen. Er muss es ihr ziemlich deutlich zu verstehen gegeben haben – indem er auf seiner Einladung herumritt und sie drängte, zu dieser Feier zu kommen. Sie ist nicht die Frau, die die Hände in den Schoß legt und abwartet und Tee trinkt. Dominant, wie sie ist, bringt sie ihn um! Sie werden sagen, das sei alles Theorie und bloße Charakterstudie. Aber ich sage Ihnen, dass seine Tischdame die einzige Person überhaupt war, die eine Gelegenheit hatte, etwas in Mr Bartons Glas zu schütten, kurz bevor er daraus trank.»
«Und niemand hat sie beobachtet?», sagte Anthony.
«Ganz recht. Man hat es vielleicht gesehen – aber nicht wahrgenommen. Sagen wir, sie war ziemlich geschickt.»
«Eine wahre Zauberkünstlerin.»
Race hustete. Er zog seine Pfeife hervor und begann, sie zu stopfen.
«Nur ein kleiner Einwand», sagte er. «Zugestanden, dass Lady Alexandra autokratisch und eifersüchtig ist und ihren Mann abgöttisch liebt. Zugestanden, dass sie vor Mord nicht zurückschrecken würde – aber glauben Sie wirklich, sie würde einem jungen Mädchen ein belastendes Beweisstück in die Handtasche stecken? Einem durch und durch unschuldigen Mädchen, wohlgemerkt, das ihr nicht das Geringste zu Leide getan hat? Entspricht das der Kidderminster’schen Tradition?»
Kemp rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl hin und her und starrte in seine Teetasse.
«Frauen spielen kein Kricket», sagte er, «wenn Sie so wollen.»
«Eine Reihe von ihnen doch», sagte Race lächelnd. «Aber ich freue mich zu sehen, dass Ihnen nicht ganz wohl bei der Sache ist.»
Kemp zog sich aus der Verlegenheit, indem er sich gönnerhaft an Anthony wandte.
«Übrigens, Mr Browne – ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, wenn ich bei dem Namen bleibe –, ich wollte Ihnen noch meinen Dank dafür aussprechen, dass Sie Miss Marie heute Nachmittag so prompt zu uns brachten, damit sie diese Aussage machte.»
«Ich musste schnell sein», sagte Anthony. «Wenn ich gewartet hätte, wäre sie vielleicht gar nicht mehr mitgekommen.»
«Natürlich wollte sie nicht kommen», sagte Colonel Race.
«Sie ist ziemlich fix und fertig, das arme Mädchen», sagte Anthony. «Verständlicherweise.»
«Verständlicherweise», bestätigte der Inspektor und schenkte sich eine weitere Tasse Tee ein. Anthony nippte an seinem Kaffee.
«Nun», meinte Kemp, «ich denke, wir konnten sie beruhigen – sie ist ganz erleichtert nach Hause gegangen.»
«Ich hoffe, dass sie sich nach der Beerdigung etwas aufs Land zurückzieht», sagte Anthony. «Vierundzwanzig Stunden Ruhe und Frieden, weit weg von Tante Lucillas permanentem Gezwitschere, werden ihr gut tun.»
«Tante Lucillas Zwitschern hat auch sein Gutes», sagte Race.
«Na, ich danke», sagte Kemp. «Zum Glück habe ich ihre Aussage nicht mitstenografieren lassen. Der arme Bursche wäre ja mit einem Schreibkrampf ins Krankenhaus gekommen!»
«Tja», sagte Anthony, «vermutlich haben Sie Recht, Chief Inspector, dass der Fall nie vors Gericht kommen wird. Ein äußerst unbefriedigender Ausgang! Und da gibt’s eines,
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