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Blauwasserleben

Blauwasserleben

Titel: Blauwasserleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Dorsch
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sich die Umrisse der Bäume ab. Es ist still, außer den Geräuschen, die
das Paddel macht, wenn es ins Wasser gleitet.
    Hat Stefan große Schmerzen? Ist er bewusstlos? Ist das der Grund,
warum ich kein Stöhnen höre?
    Ich kann nicht wirklich klar denken.
    Am Strand angelangt, will Arihano das Beiboot hoch an Land ziehen.
    Â»Lass doch!«, fahre ich ihn an. »Das Dinghi ist schwer, und wir
bekommen es mit Stefan nicht mehr gut ins Wasser. Wir brauchen ja nicht lange,
bis dahin ist das Boot sicher.«
    Der Mann ignoriert meine Worte – wohl weil er nur jedes zweite davon
verstanden hat – und zieht am Dinghi, bis es kaum noch von Wasser umgeben ist.
Hektisch leuchte ich mit meiner Taschenlampe den Strand ab, das Licht reicht
bis zum Ende der Bucht, hundert Meter weit. Der Dschungel reicht bis an den
Strand heran. Fragend blicke ich Arihano an.
    Â»Da lang«, sagt er und zeigt mit der Hand in den Wald. Bevor er mit
mir die Richtung einschlägt, in die er gewiesen hat, holt er seinen Rucksack
aus dem Beiboot. Wieso schleppt er den mit sich herum? Wir wollen einen schwer
verletzten Menschen tragen, da stören die Sachen doch nur. Und wieso waren die
überhaupt im Boot, hätte er sie nicht bei Stefan lassen sollen? Die Überlegungen,
die ich anstelle, denke ich nicht zu Ende. Hätte ich es nur getan.
    Zwischen dichtem Gebüsch schlängelt sich ein schmaler Pfad. Der Weg
ist mir fremd. Stefan und ich haben ihn nie benutzt, wenn wir vom Strand aus
die Insel erkundeten. Wir laufen. Immer tiefer in den Dschungel hinein. Hatte
Arihano nicht gesagt, er hätte Stefan fast zum Strand getragen? Nur gut, dass
er das Dinghi so weit hochgezogen hat. Wenn wir noch länger laufen müssen und
dieselbe Strecke mit Stefan zurück, wird mit Sicherheit in der Zwischenzeit die
Flut kommen. Im nächsten Moment ärgere ich mich, dass wir das Beiboot vorhin
nicht an einen Baum festgebunden haben …
    Â» L’eau, l’eau – Wasser, Wasser«, sage ich
immer wieder zu Arihano und versuche, ihm mit Gesten begreiflich zu machen,
dass wir das Dinghi verlieren, wenn das Wasser steigt.
    Wieder reagiert er nicht auf meine Bemerkung, streckt nur erneut
seine Hand aus: »Weiter.«
    Vermutlich sind wir gleich da, versuche ich mich zu beruhigen. Sonst
wäre mein Begleiter umgekehrt und hätte das Boot richtig vertäut. Bestimmt.
    Nach ungefähr einer Viertelstunde landen wir in einer Art Sackgasse,
der ebenerdige Pfad endet abrupt.
    Arihano nimmt mir die Taschenlampe aus der Hand und sucht hektisch
die Umgebung ab, ohne einen Plan, wie mir scheint. Komisch.
    Â»Gib mir die Lampe zurück«, sage ich fast ein wenig wütend und
greife nach der Taschenlampe.
    Widerstandslos überreicht mir Arihano die Lampe, danach stellt er
seinen Rucksack auf dem Boden ab. Das Gewehr trägt er noch in seiner Hand.
    Â»Wo ist Stefan?« Ich bin bis aufs Äußerste angespannt, meine Stimme,
ich merke es selbst, wird immer schriller.
    Â»Ich weiß nicht mehr, wo ich ihn abgelegt habe.«
    Ich glaube, mich verhört zu haben.
    Â»Wo ist Stefan?«, wiederhole ich und schaue meinen Begleiter zornig
an.
    Auch er wiederholt, was er zuvor sagte: »Ich weiß nicht mehr, wo ich
ihn abgelegt habe.«
    Also habe ich mich nicht verhört. Wie in Trance schaue ich mich um.
Es ist dunkel, ich bin mitten im Urwald. Stefan ist nirgendwo zu sehen oder zu
hören. Plötzlich bricht es aus mir heraus, meine ganze aufgestaute Wut, und ich
schreie ihn auf Englisch an: »Du Idiot! Wie blöd bist du eigentlich, dass du
nicht mehr weißt, wo du Stefan abgelegt hast? Das kann doch nicht wahr sein!«
    Der Marquesaner schaut mich befremdet an. Ich weiß nicht, wie viel
er verstanden hat, aber es ist ihm anzusehen, dass er mit einem solchen
emotionalen Ausbruch meinerseits nicht gerechnet hat. Er verteidigt sich: »Aber
ich habe ihm die Flasche Rum dagelassen – gegen die Schmerzen.«
    Bei dem Wort »Schmerzen« zucke ich zusammen. Wie wild leuchte ich
mit der Taschenlampe in der Gegend herum, brülle Stefans Namen, wieder und
wieder. Ich habe Angst, dass er verblutet, dass er die Qualen nicht mehr
aushalten kann, nur weil der Mann vor mir nicht weiß, wo er ihn zurückgelassen
hat. Wie kann das sein? Er muss doch jeden Pfad auf dieser kleinen Insel
kennen.
    Der Mann, der mir immer unheimlicher wird, zeigt keine Reaktion. Er
steht einfach nur da, hält

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