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Blauwasserleben

Blauwasserleben

Titel: Blauwasserleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Dorsch
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auch nicht nach einem anderen Weg Ausschau.
Schließlich wühlt er in seinem Rucksack herum, blickt auf sein Mobiltelefon und
schüttelt den Kopf.
    Aufgebracht sage ich: »Ich werde jetzt Freunde holen, einen
Suchtrupp organisieren und danach der Polizei Bescheid geben.« Während ich
rede, drehe ich mich um und will den Pfad, den wir gekommen waren, wieder
zurückrennen. Im Laufen schreie ich: »Stefan!« Ich weiß nicht mehr, wie viele
Male.
    Auf einer kleinen Lichtung bleibe ich atemlos stehen. Halt, denke
ich, bist du überhaupt auf dem richtigen Weg? In meiner Verzweiflung entschließe
ich mich, hier auf Arihano zu warten. Ich will keine Zeit verlieren, nur weil
ich mich nicht in der Gegend auskenne und mich im Dschungel verirre.
    Kurz danach taucht Arihano hinter mir aus der Dunkelheit auf. Er
blickt mich kaum an, streift mich mit seinen Augen nur, bevor er ein weiteres
Mal seinen Rucksack abstellt und darin herumkramt. Erneut holt er sein Handy
heraus.
    Â»Gibt es auf dieser Lichtung vielleicht Empfang?«, frage ich
hoffnungsvoll. »Wenn ja, lass uns bitte die Gendarmerie anrufen.«
    Arihano steckt das Mobiltelefon wieder ein. Ich fasse es nicht. Was
geht in diesem Mann vor?
    In meiner Erregung entscheide ich, allein weiterzugehen. Im nächsten
Moment drehe ich mich, wie aus einer Vorahnung heraus, noch einmal zu ihm um,
obwohl ich nichts mehr mit ihm zu tun haben will – und blicke in einen
Gewehrlauf. Er ist ganz nah.
    Den nächsten Satz, den Arihano sagt, verstehe ich sehr deutlich: »Du
stirbst jetzt.«

Leben auf der Überholspur
    Stefan und ich begegneten uns das erste Mal 1994 in der schwedischen
Universitätsstadt Skövde. Als BWL -Studentin an der
Hochschule Coburg hatte ich ein Erasmus-Auslandsstipendium bekommen. Eigentlich
wäre ich gern nach England gegangen, aber es gab nur noch einen freien Platz in
Schweden. Schweden, warum nicht?, dachte ich und packte meine Sachen.
Hauptsache weg. Aus Coburg. Heute liegt die Stadt mitten in Deutschland,
damals, knapp fünf Jahre nach dem Mauerfall, merkte man ihr immer noch an, dass
sie einst an der Grenze zur DDR lag, also am Rande
der Welt.
    Ich war zwanzig und wollte mehr sehen als die alte bayerische
Garnisonsstadt. Andere Menschen, andere Kulturen. Zwei Wochen nach meiner
Ankunft in Skörde trafen die letzten Auslandsstipendiaten ein, eine Truppe von
der Fachhochschule Wedel. Zuerst hatte ich nur sein Auto gesehen – einen
klapprigen, quietschgelben VW -Bus, der mir gefiel.
Dann das Kennzeichen » PI « für Pinneberg, ein kleine
Stadt im Süden Schleswig-Holsteins, nahe bei Hamburg. Der Fahrer des Busses war
seiner Kleidung nach alles andere als ein Hingucker. Enge Jeans, rot-schwarz
kariertes Holzfällerhemd. Doch die Augen, wunderschön, lebhaft, lustig,
jedenfalls soweit ich das von meinem Beobachtungsposten beurteilen konnte: Ich
stand im ersten Stock im Studentenhaus. Neben dem Fahrer machte ich noch eine
Frau und zwei andere Jungs aus.
    Die vier blödelten vor dem Eingang des Studentenhauses herum.
Janine, Udo, Chris und Stefan. Erstaunlich: Durch die Fensterscheibe hindurch
war zu spüren, dass der Fahrer des hippen Busses besonders war. Ein Charakter.
Er war da – präsent. Und das Schicksal wollte es, dass er sein Zimmer auf
meinem Stockwerk bezog, nur zwei Türen weiter.
    Was das studentische Leben betraf, konnte von Integration in diesen
Tagen keine Rede sein. Wir Deutschen hockten unentwegt zusammen, nach den
Vorlesungen versammelten wir uns im Aufenthaltsraum des Studentenhauses, um uns Schwarzwaldklinik mit schwedischen Untertiteln
anzuschauen. Das war unsere Methode, die Sprache unseres Gastlands zu lernen.
Stefan, das war nicht zu übersehen, blühte in der Gemeinschaft auf. Er war das
erste Mal sein eigener Herr – an der FH Wedel
wollte er einen Abschluss als Wirtschaftsingenieur machen, wohnte aber
weiterhin bei seinen Eltern in einem kleinen Dorf im Kreis Pinneberg.
    In unserem schwedischen Domizil herrschte Chaos pur. In den
verrauchten Zimmern türmten sich schmutzige Klamotten, in der Küche stapelten
sich die dreckigen Töpfe. Umso überraschter war ich, als mich Stefan eines
Nachmittags zum Abendessen auf sein Zimmer einlud: »Heute Abend werde ich für dich
kochen. Ich hoffe, du kommst.« Natürlich nahm ich die Einladung an.
    Es war der 3. Oktober. Der Tisch war hübsch gedeckt – er stand
allerdings in meinem

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