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Bleakhouse

Bleakhouse

Titel: Bleakhouse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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auf seinen Herrn vor einem Fleischerladen wartet und offenbar an die Schafe denkt, die ihm ein paar Stunden lang so viel Sorgen gemacht haben und die er jetzt glücklich los ist. Drei oder vier scheinen ihm besonders zu schaffen zu machen; er kann sich nicht entsinnen, wo er sie gelassen hat. Er läßt die Augen die Straße auf und ab schweifen, als erwarte er so halb und halb, sie dort verirrt zu finden. Plötzlich spitzt er die Ohren und weiß jetzt alles ganz genau. Er ist ein vollendeter Hundevagabund, an schlechte Gesellschaft und ordinäre Schenken gewöhnt, ein schrecklicher Hund für Schafe. Stets bereit, auf einen Pfiff über ihre Rücken zu springen und ihnen schnauzenweis die Wolle auszureißen, aber ein erzogener, gebildeter Hund, der seine Pflichten kennt und sie zu erfüllen weiß. Er und Jo hören der Musik zu. Wahrscheinlich mit demselben Grad von Genuß. Wahrscheinlich sind sie sich auch vollkommen gleich in der Art der Erinnerungen, in den traurigen oder freudigen Gedanken an übersinnliche Dinge. Aber sonst, – wie hoch steht das Tier über dem menschlichen Zuhörer!
    Man lasse die Nachkommen der Hunde unbeaufsichtigt und wild herumlaufen wie Jo, und in wenigen Jahren werden sie so ausarten, daß sie selbst das Bellen verlernen, wenn auch nicht das Beißen.
    Der Tag verändert sich, wie er dahinschleicht, und wird dunkel und regnerisch. Jo kämpft ihn durch bei seinem Straßenübergang mitten unter Kot und Rädern, Pferden, Peitschen und Regenschirmen und verdient sich kaum die Summe, um das ekelhafte Obdach in »Toms Einöd« zu erschwingen. Die Dämmerung sinkt herab. In den Läden fangen die Gasflammen an zu brennen. Der Laternenmann mit seiner Leiter läuft am Rand des Pflasters entlang.
    Ein scheußlicher Abend bricht an.
    In seiner Kanzlei sitzt Mr. Tulkinghorn und denkt nach über eine Eingabe an den nächsten Friedensrichter wegen eines Vorführungsmandats für morgen früh. Gridley, ein unzufriedner Prozessant, ist heute hier gewesen und hat aufbegehrt... Wir lassen uns nicht drohen, und der ungebärdige Kerl soll daran glauben. Von der Decke deutet die perspektivisch verkürzte Allegorie in Person eines unmöglichen kopfabwärts stürzenden Römers mit einem seiner zwei verrenkten linken Simsonarme aufdringlich nach dem Fenster. Warum sollte Mr. Tulkinghorn nicht auch so grundlos zum Fenster hinaussehen? Aber die Hand des Römers deutet doch immer hinaus. Warum soll also Mr. Tulkinghorn jetzt aus dem Fenster hinausschauen?
    Und wenn er's täte, was sähe er an der Frau, die vorübergeht? Es gibt Frauenzimmer genug auf der Welt, ist Mr. Tulkinghorns Ansicht – viel zu viel. Sie sind im Grund genommen an allem schuld, was darin verkehrt geht... Allerdings, wenn man schon einmal davon spricht, sie geben den Advokaten Beschäftigung. Was ist dabei, ein Frauenzimmer vorbei gehen zu sehen, selbst, wenn sie es heimlich tut. Sie haben immer Geheimnisse. Mr. Tulkinghorn weiß das ganz genau.
    Aber sie gleichen nicht alle der Frau, die jetzt ihn und sein Haus hinter sich läßt, deren einfaches Kleid und vornehme Manieren miteinander so in Widerspruch stehen. Ihrer Kleidung nach könnte sie ein besserer Dienstbote sein. Ihrem Wesen und Gange nach, obgleich beide hastig und verstellt sind – soweit sie das auf den kotigen Straßen, die sie mit ungewohntem Fuß betritt, zuwege bringt –, ist sie eine vornehme Dame. Ihr Gesicht ist verschleiert, und trotzdem ist es immer noch verräterisch genug, um mehr als einen der Passanten zu veranlassen, sich rasch nach ihr umzusehen.
    Sie wendet nie den Kopf. Dame oder Dienstmädchen, jedenfalls hat sie etwas vor. Sie wendet nie den Kopf, bis sie zu dem Straßenübergang kommt, wo Jo den Besen handhabt. Er tritt ihr in den Weg und bettelt sie an. Aber sie wendet nicht eher den Kopf, als bis sie über der Straße drüben ist. Dann winkt sie ihm kaum merklich und sagt: »Komm her!«
    Jo folgt ihr ein paar Schritte in einen stillen Hof.
    »Bist du der Bursche, von dem ich in den Zeitungen gelesen habe?« fragt sie hinter ihrem Schleier hervor.
    »Was woaß denn i von Zeitungen«, sagt Jo und starrt verdrossen den Schleier an. »Ich woaß überhaupt von nix.«
    »Bist du bei der Totenschau vernommen worden?«
    »Was woaß denn i von... Wo mi der Kirchendiener hingnommen hat, meinens?« sagt Jo. »Hat der, von was Sie reden, Jo gheißen?«
    »Ja.«
    »Dös bin i.«
    »Komm weiter herein.«
    »Sie meinen von wegen den Mann?« fragt Jo und folgt ihr. »Der wo

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