Bleakhouse
Händen an ihre Brust.
Ich stellte Caddy vor, und Mr. Guppy sagte, eine Freundin von mir sei stets mehr als willkommen. Dann fing ich von dem Zweck meines Besuchs an.
»Ich nahm mir die Freiheit, Ihnen einen Brief zu schreiben.«
Mr. Guppy bekannte sich damit zu seinem Empfang, daß er ihn aus seiner Brusttasche zog, an die Lippen drückte und mit einer Verbeugung wieder in die Tasche steckte. Das ergötzte Mr. Guppys Mutter derart, daß sie lächelnd mit dem Kopf wackelte und Caddy mit dem Ellbogen einen bedeutsamen Stoß gab.
»Könnte ich mit Ihnen einen Augenblick allein sprechen?« fragte ich.
Etwas, das der Lustigkeit von Mr. Guppys Mutter in diesem Augenblick gleichgekommen wäre, habe ich nie wieder gesehen. Sie lachte geräuschlos, wackelte mit dem Kopf, schüttelte ihn, hielt sich das Taschentuch vor den Mund und stieß auf Caddy mit dem Ellbogen, der Hand und der Schulter ein und war überhaupt so unbeschreiblich aufgeregt, daß Caddy sie kaum durch die kleine Flügeltür in das anstoßende Schlafzimmer bugsieren konnte.
»Miß Summerson«, sagte Mr. Guppy, »Sie müssen die Lebhaftigkeit einer immer an das Glück ihres Sohnes denkenden Mutter entschuldigen. Wenn auch meine Mutter einen nervös macht, so handelt sie doch immer aus mütterlichen Gefühlen heraus.«
Ich hätte kaum geglaubt, daß jemand in einem Augenblick so rot werden oder sich so verändern könnte wie Mr. Guppy, als ich jetzt plötzlich den Schleier emporschlug.
»Ich bat Sie um die Gefälligkeit, mit Ihnen ein paar Augenblicke lieber hier als bei Mr. Kenge sprechen zu dürfen«, begann ich, »um Sie nicht am Ende in Ungelegenheiten zu bringen, Mr. Guppy.«
– Ich hatte ihn schon so verlegen genug gemacht, aber sein Stammeln, seine Verwirrung und seine Angst waren jetzt unbeschreiblich. –
»Miß Summerson«, stotterte er, »ich – ich – ich – bitte um Verzeihung, aber in unsrer Branche – finden – wir es notwendig, uns – uns stets deutlich auszusprechen. Sie spielen auf eine Gelegenheit an, Miß, wo ich – wo ich mir die Ehre nahm, einen Antrag zu machen, der...«
Es schien ihn etwas im Halse zu würgen, was er nicht hinunterschlingen konnte. Er legte die Hand auf die Kehle, hustete, schnitt Gesichter, versuchte abermals, es hinunterzuschlingen, hustete wieder, schnitt wieder Gesichter, sah sich rings im Zimmer um und kramte verlegen in seinen Papieren.
»Ich habe eine Art Schwindelanfall, Miß, der mich ein wenig aus der Fassung bringt«, erklärte er mir. »Ich-äh-bin solchen Anfällen zuweilen unterworfen – äh – bei Gott.«
Ich ließ ihm einige Zeit zur Erholung. Er legte dabei die Hand an die Stirn, nahm sie wieder weg und rutschte mit seinem Stuhl in die hinter ihm befindliche Ecke.
»Ich wollte nur bemerken, Miß«, sagte er, »mein Gott – irgend etwas mit den Bronchien, glaube ich – hem –, wollte nur bemerken, daß Sie damals so gütig waren, meinen Antrag nicht anzunehmen, besser gesagt, zurückzuweisen. Sie – Sie werden das gewiß zugeben ? Wenn auch keine Zeugen anwesend sind, könnte es vielleicht eine Beruhigung sein – für – Ihr Gewissen –, wenn Sie – das zugeben wollten.«
»Daran kann doch gar kein Zweifel sein, daß ich Ihren Antrag ohne allen Vorbehalt und ohne alle Nebenbedingungen dankend ablehnte, Mr. Guppy.«
»Ich danke Ihnen, Miß«, entgegnete er und maß geistesabwesend den Tisch mit seinen unruhigen I landen ab. »Soweit wäre das zufriedenstellend und macht Ihnen Ehre. Ah – sicher die Bronchien –, muß in der Luftröhre sein – äh –, Sie würden es vielleicht nicht übel aufnehmen, wenn ich erwähne – nicht, daß es notwendig wäre, denn Ihr eigner oder jedermanns gesunder Menschenverstand muß Ihnen das sagen –, wenn ich bemerke, daß dieser Antrag von meiner Seite mein letzter war und die Sache ganz und gar abgemacht ist?«
»Das sehe ich vollkommen ein«, sagte ich.
»Vielleicht – äh – ist es solche Umständlichkeit nicht wert, aber es könnte doch eine Beruhigung für Sie selbst sein... Vielleicht würden Sie nichts dagegen haben, das zuzugeben, Miß?«
»Ich gebe das vollkommen und freiwillig zu.«
»Ich danke Ihnen. Höchst ehrenwert, muß ich sagen, Miß Summerson. Ich bedauere, daß meine Lebenspläne – und Verhältnisse, über die ich keine Macht habe – mich außerstand setzen, jemals auf diesen Antrag zurückzukommen oder ihn in irgendeiner Form zu erneuern, aber er wird stets eine Erinnerung sein,
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