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Bleakhouse

Bleakhouse

Titel: Bleakhouse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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wieder zurückkamen, zogen sie aus ihren Taschen Brot und Fleischschnitten und biwakierten unter einer bemalten Lyra an der Wand. Das kleine gazebekleidete Mädchen paßte, nachdem sie ihre Sandalen in den Strickbeutel geschoben und ein Paar schiefgetretne Schuhe angezogen hatte, ihren Kopf mit einem einmaligen wilden Schütteln unter ihren großen Hut und gab mir auf meine Frage, ob sie gern tanze, zur Antwort: »Mit Jungen nicht!« band sich ihre Hutbänder unter dem Kinn fest und ging voll Verachtung nach Hause.
    »Der alte Mr. Turveydrop bedauert unendlich«, sagte Caddy, als sie wiederkam, »noch nicht mit Ankleiden fertig zu sein und nicht das Vergnügen haben zu können, dich zu sehen, ehe wir gehen. Du bist nämlich sein Liebling, Esther.«
    Ich versicherte, daß ich ihm sehr verbunden sei, hielt es aber nicht für notwendig, hinzuzusetzen, daß ich seinen Aufmerksamkeiten gern entsagte.
    »Das Ankleiden kostet ihn viel Zeit«, sagte Caddy, »denn wie du weißt, ist er in solchen Dingen Autorität und hat seinen Ruf zu wahren. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie freundlich er zu Papa ist. Er erzählt ihm immer abends von dem Prinzregenten, und ich habe noch nie Pa so interessiert zuhören sehen.«
    Mr. Turveydrop seine Allüren vor Mr. Jellyby entfalten zu sehen, war ein Bild, das meine Phantasie mächtig reizte. Ich fragte Caddy, ob es ihm gelänge, ihren Vater gesprächig zu stimmen.
    »Nein«, sagte Caddy. »Das könnte ich gerade nicht behaupten, aber er spricht mit Pa, und Pa bewundert ihn, hört zu und freut sich. Ich weiß natürlich, daß Papa keine Ansprüche auf vornehme Allüren machen kann, aber sie kommen vortrefflich miteinander aus. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie gut sie einander Gesellschaft leisten. Ich habe Papa vorher nie schnupfen sehen, aber jetzt nimmt er regelmäßig aus Mr. Turveydrops Dose eine Prise an und riecht den ganzen Abend daran, ohne sie ein einziges Mal zu schnupfen.«
    Daß der alte Mr. Turveydrop in den Wechselfällen und Wandlungen des Lebens jemals dazu bestimmt gewesen war, Mr. Jellyby von Borriobula-Gha zu erlösen, erschien mir als eine der komischsten Schicksalsmerkwürdigkeiten.
    »Was Peepy betrifft«, fuhr Caddy ein wenig zögernd fort, »von dem ich am meisten fürchtete – vielleicht von eignen Kindern abgesehen, Esther –, daß er Mr. Turveydrop lästig fallen würde, so übersteigt die Freundlichkeit des alten Herrn gegen den Jungen alle Grenzen. Er fragt nach ihm, meine Liebe! Er läßt sich von ihm die Zeitung ins Bett bringen, gibt ihm die Rinde von seinem Zwieback zu essen und schickt ihn mit kleinen Botschaften im Hause herum! Und ich muß ihm Sixpences schenken. Kurz«, sagte Caddy, »ich bin unendlich glücklich und muß wahrhaft sehr dankbar sein. Wohin gehen wir eigentlich, Esther?«
    »Nach Oldstreet-Road. Ich habe dort ein paar Worte mit dem Advokatenschreiber zu sprechen, der mich an dem Tag, als ich in London ankam und dich das erste Mal sah, meine Liebe, an der Landkutsche abholte. Übrigens jetzt fällt mir ein, er brachte uns ja nach deiner Wohnung.«
    »So? Dann bin ich ja sozusagen deine vom Schicksal bestimmte Begleiterin«, entgegnete Caddy.
    Wir gingen nach Oldstreet-Road und fragten nach Mr. Guppy in seiner Wohnung. Mrs. Guppy, die im Erdgeschoß wohnte und eben Gefahr lief, wie eine Nuß zwischen der Tür des vorderen Wohnzimmers aufgeknackt zu werden, da sie verstohlen herauslugte, erschien, noch ehe wir nach ihr fragen konnten, und lud uns zum Eintreten ein.
    Sie war eine alte Dame mit einer großen Mütze, einer etwas roten Nase und einem unsicheren Auge, aber über und über Lächeln. Ihr kleines Wohnstübchen war für einen Besuch hergerichtet, denn ich hatte ihr von Bleakhaus aus geschrieben, und es hing darin ein Porträt ihres Sohnes, das noch viel ähnlicher war als das Original selbst.
    Aber nicht nur das Porträt war da, sondern auch das Original.
    Es war in vielerlei Farben gekleidet, saß an einem Tisch und las Akten, wobei es von Zeit zu Zeit nachdenklich den Zeigefinger an die Stirn legte.
    »Miß Summerson«, begrüßte es mich und stand auf, »das ist in der Tat eine Oase. Mutter, möchtest du so gut sein, der andern Dame einen Stuhl zu geben und uns dann nicht weiter zu stören.«
    Mrs. Guppy, deren beständiges Lächeln ihr einen fast schalkhaften Ausdruck verlieh, tat, wie ihr Sohn sie geheißen, und setzte sich dann in eine Ecke und drückte ihr Taschentuch wie einen warmen Umschlag mit beiden

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