Bleakhouse
ich, daß ich die Wahrheit spreche, die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit, so...«
»Ich bin vollständig zufrieden«, sagte ich und stand auf. »Ich danke Ihnen recht sehr. – Liebe Caddy, ich bin bereit.«
Mr. Guppys Mutter kam mit Caddy wieder herein – sie richtete ihr geräuschloses Lachen und ihre Ellbogenstöße jetzt an mich –, und wir verabschiedeten uns. Mr. Guppy sah uns mit der Miene eines Mannes, der entweder nicht ganz wach ist oder schlafwandelt, nach, und wir ließen ihn an der Tür stehen.
Eine Minute später kam er uns jedoch ohne Hut und mit fliegenden Haaren nachgelaufen, hielt uns an und sagte mit Wärme:
»Miß Summerson, auf Ehre und Seligkeit, Sie können sich auf mich verlassen.«
»Das tue ich auch mit der größten Zuversicht.«
»Ich bitte um Verzeihung, Miß«, fuhr er fort und ging langsam und zögernd neben uns her. »Aber da diese Dame dabei ist, ihre eigne Zeugin, und ich Sie wirklich ganz beruhigt zu sehen wünsche, so wäre es vielleicht gut, wenn Sie Ihr Zugeständnis von vorhin wiederholen wollten.«
»Caddy«, sagte ich und wendete mich an meine Freundin. »Du wirst dich wahrscheinlich nicht besonders wundern, wenn ich dir sage, daß niemals eine Verlobung -«
»– kein Eheversprechen irgendeiner Art«, verbesserte Mr. Guppy.
»–- kein Eheversprechen irgendeiner Art zwischen diesem Herrn...«
»William Guppy von Penton-Place, Pentonville in der Grafschaft Middlessex«, murmelte er.
»– zwischen diesem Herrn, Mr. William Guppy von Penton-Place, Pentonville in der Grafschaft Middlessex, und mir vereinbart wurde.«
»Ich danke Ihnen, Miß. Das genügt. – Äh –, entschuldigen Sie... Den Namen der Dame, Vor- und Zuname?«
Ich nannte sie ihm.
»Verheiratet?«
»Verheiratet.«
»Ich danke Ihnen.«
»Geborne Miß Karoline Jellyby von Thavies-Inn, London City, zu keinem Kirchspiel gehörig, jetzt wohnhaft in Newmanstreet, Oxfordstreet. Sehr verbunden.«
Er lief nach Hause und kam wieder zurück.
»Was die Angelegenheit betrifft, möchte ich noch sagen, so tut es mir wirklich und – wahrhaftig sehr leid, daß Lebenspläne sowie Verhältnisse, die sich meinem Machtbereich entziehen, eine Erneuerung meines Antrages, der schon damals zurückgewiesen wurde, ausschließen«, sagte Mr. Guppy traurig und niedergeschlagen zu mir. »Aber es ist nicht möglich. Ich frage Sie selbst, wäre es möglich?«
Ich gab zur Antwort, daß es gewiß nicht möglich wäre. Die Sache sei über jeden Zweifel erhaben. Er dankte mir, eilte wieder zu seiner Mutter und kehrte noch einmal um.
»Es ist wirklich sehr ehrenhaft von Ihnen, Miß. Wäre es möglich, einen Altar unter den Palmen der Freundschaft zu errichten, so... Aber, meiner Seel, Sie können sich auf mich in jeder Hinsicht verlassen – Herzensbeziehungen ausgenommen.«
Die Kämpfe in Mr. Guppys Brust und die zahlreichen Schwankungen, die sie zwischen seiner Mutter Haustür und uns in ihm hervorriefen, traten in der windigen Straße, zumal sein Haar dringend des Schermessers bedurfte, so auffällig zutage, daß wir uns nach Möglichkeit beeilten, fortzukommen. Ich tat es mit erleichtertem Herzen, und als wir uns in der Ferne noch einmal umsahen, schien Mr. Guppy immer noch nicht ganz beruhigt zu sein.
39. Kapitel
Advokat und Klient
Der Name »Mr. Vholes« unter der Überschrift »Parterre« ist an einem Türpfeiler von Symond's-Inn in Chancery-Lane zu lesen. Es ist ein kleines, blasses, halbblindes, gramgebeugtes Inn und sieht wie ein großer Aschenkasten mit zwei Fächern und einem Sieb aus. Vielleicht ist Symond seinerzeit ein sparsamer Mann gewesen und hat sein altes Inn aus Baumaterialien errichtet, die eine Vorliebe für Schwamm, Schmutz und andre modrige faule Sachen hatten und jetzt Symonds Gedächtnis mit seelenverwandter Schäbigkeit bewahren. In die Tafelquadrate dieses verrosteten Erinnerungsschildes an Symond ist jetzt auch das juristische Wappen Mr. Vholes aufgenommen.
Mr. Vholes' Kanzlei, zurückgezogen gelegen und von ebensolchem Aussehen, ist in eine Ecke gequetscht und schielt eine kahle Mauer an. Drei Fuß astlöcherdurchflochtne Dielen bringen den Klienten durch einen finstern Gang nach Mr. Vholes' pechschwarzer Tür in einer selbst an den hellsten Sommermorgen stockfinstern Ecke mit einem dunkeln Vorbau an einer Kellertreppe, gegen den Klienten, wenn sie in Eile sind, meistens mit dem Kopf anzurennen pflegen.
Mr. Vholes' Kanzleizimmer sind so klein bemessen, daß ein Schreiber die
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