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Bleakhouse

Bleakhouse

Titel: Bleakhouse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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alles in Vergessenheit zu begraben. Dazu habe ich mich verpflichtet. Ich bin es mir selbst schuldig, dem zerschmetterten Bild und auch den Verhältnissen, über die ich keine Macht habe. Wenn du mir durch einen Wink oder eine Gebärde verrietest, du habest in deiner früheren Wohnung irgendwo Papiere liegen sehen, die den fraglichen irgendwie ähnlich sind, würde ich sie jetzt auf meine eigne Verantwortung ins Feuer werfen.«
    Mr. Weevle nickt. Mr. Guppy kommt sich sehr großartig vor, daß es ihm gelungen ist, seine Äußerungen mit halb juristischer, halb romantischer Miene vorgebracht zu haben. Er hat nun einmal eine Leidenschaft, allem die Form eines Verhörs, einer Rede oder eines Resumes zu geben.
    Würdevoll begleitet er jetzt seinen Freund nach Cook's Court.
    Nie, seit er im Hof gewesen, hat es dort einen solchen Berg von Geklatsch gegeben wie nach den Vorfällen in Mr. Krooks Laden. Pünktlich um acht Uhr früh trägt man Mr. Smallweed senior, begleitet von Mrs. Smallweed, Judy und Bart, um die Ecke in das Haus. Regelmäßig, Tag für Tag, bleiben sie dort bis neun Uhr abends, stärken sich nach Zigeunerart durch nicht besonders reichliche Mittagsmahle aus der benachbarten Garküche und wühlen, suchen, graben und kratzen unter den Schätzen des vielbeweinten Verstorbenen. Welcher Art diese Kleinodien sind, halten sie so geheim, daß der ganze Hof in Verzweiflung gerät.
    In seinem Delirium träumt der Hof von Guineen, die aus Teekannen gegossen werden, von Punschbowlen, die von Münzen überfließen, von mit Banknoten ausgestopften Stühlen und Matratzen. Man kauft für sechs Pence bunt illustrierte Geschichten von Mr. Daniel Dancer und seiner Schwester und Mr. Elwes aus Suffolk und überträgt alle Tatsachen aus diesen wirklich wahren Erzählungen auf Mr. Krook. Zweimal, als der Kehrichtmann hineingerufen wird, um eine Wagenladung altes Papier, Asche und Flaschenscherben fortzuschaffen, versammelt sich der ganze Hof und spürt neugierig in den Körben herum, wie sie herausgetragen werden. Rastlos schleichen die beiden Herren, die mit den gefräßigen kleinen Federn auf dünnes Papier schreiben, in der Nachbarschaft herum. Sie weichen einander scheu aus, denn ihre frühere Kompagnieschaft ist wieder in Brüche gegangen. Die »Sonne« spinnt geschickt einen Faden des allgemeinen Interesses durch die harmonischen Abendgesellschaften. Der kleine Swills wird, wenn er darauf anspielt, mit Applaus bedacht und weiß wie ein inspirierter Dichter überall Brocken davon anzubringen. Selbst Miß M. Melvilleson begleitet in der wieder aufgefrischten schottischen Melodie: »Wir nicken, wir nicken, wir nicken dazu« die letzte Strophe: »Die Hunden lieben den starken Saft« – ohne zu verraten, welcher Art dieser Saft sein mag – mit einer so schlauen Miene und einem so ausdrucksvollen Nicken des Kopfs nach dem Nachbarhaus, daß die Zuhörer auf der Stelle erraten, Mr. Smallweed habe eine Vorliebe für Geld. Und so wird sie allabendlich mit wiederholtem da capo beehrt.
    Trotzdem entdeckt der Hof keine Spur, lebt aber, wie Mrs. Piper und Mrs. Perkins dem ehemaligen Mieter, dessen Erscheinen jetzt die lebhafteste Aufmerksamkeit des Publikums erregt, verraten, in beständiger Aufregung, irgend etwas und noch viel mehr zu entdecken.
    Mr. Weevle und Mr. Guppy, von sämtlichen Augen im Hofe beobachtet, klopfen an die verschlossne Tür des vielbeweinten Toten. Sie sind sehr populär. Da sie aber wider Erwarten des Hofes Einlaß erhalten, gehen sie sofort der Volksgunst verlustig und geraten in Verdacht, Böses im Schilde zu führen.
    Im ganzen Hause sind fast alle Läden vor den Fenstern geschlossen, und im Erdgeschoß ist es so finster, daß man Licht brennen muß. Eben aus dem Sonnenschein hereingetreten und von Mr. Smallweed junior in den rückwärtigen Laden geführt, sind die beiden Freunde fast blind und können anfangs nichts sehen als Finsternis und Schatten, bis sie allmählich Großvater Smallweed, in seinem Lehnstuhl am Rand eines Brunnens oder eines Grabes voll von altem Papier sitzend, unterscheiden. Die tugendstarke Judy wühlt darin wie eine Totengräberin, und Mrs. Smallweed sitzt in der Nähe auf der Diele, eingeschneit in einem Haufen von Papierfetzen, von Druck- und Schreibmakulatur – anscheinend die angehäuften Komplimente, die ihr im Lauf des Tages an den Kopf geflogen sind. Die ganze Gesellschaft, Small nicht ausgenommen, ist geschwärzt von Staub und Schmutz und trägt einen dämonischen

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