Bleakhouse
Türe mit einer Kette zu, die ebenfalls nicht besonders gut erhalten war, und fragte uns, ob wir wirklich hinaufgehen wollten.
Wir stiegen in den ersten Stock, und das einzige Zeichen von Bewohntsein bildeten immer noch die schmutzigen Fußstapfen. Ohne weitere Zeremonie trat Mr. Jarndyce in ein Zimmer, und wir folgten. Es war arg verräuchert und keineswegs sauber, aber möbliert in einer wunderlichen Art von schäbigem Luxus. Ich sah einen großen Fußschemel, ein Sofa, eine Menge von Polstern, einen Lehnstuhl, wieder mit einem Überfluß von Kissen, ein Piano, Bücher, Zeichenmappen, Musikalien, Zeitungen, einige Skizzen und Gemälde. Eine zerbrochne Glasscheibe in einem der schmutzigen Fenster war mit Papier und Oblaten verklebt, aber auf dem Tisch standen ein Teller mit Treibhauspfirsichen, einer mit Trauben und ein dritter mit Kuchen. Eine Flasche mit leichtem Wein daneben. Mr. Skimpole selbst ruhte im Schlafrock auf dem Sofa, schlürfte duftenden Kaffee aus einer alten Porzellantasse, obwohl es ungefähr Mittag war, und betrachtete eine Sammlung Mauerblumen auf dem Balkon.
– Unser Kommen brachte ihn nicht im mindesten außer Fassung. Er stand auf und empfing uns in seiner gewohnten unbefangnen Weise. –
»Hier lebe ich, wie Sie sehen«, sagte er, als wir uns – nicht ohne Schwierigkeit, denn der größte Teil der Stühle war zerbrochen – gesetzt hatten. »Hier ist mein Heim. Dies ist mein frugales Frühstück. Manche Leute bestehen auf Rinds- und Hammelkeule zum Frühstück. Ich nicht. Wenn ich meine Pfirsiche, meine Tasse Kaffee und meinen Claret habe, bin ich zufrieden. Ich genieße sie nicht ihrer Geschmacksvorzüge wegen, sondern nur, weil sie mich an die Sonne erinnern. In Rinds- und Hammelkeulen liegt nichts Sonnenhaftes. Reiner tierischer Genuß.«
»Das ist das Sprechzimmer unsres Freundes, das heißt, wenn er praktizierte, würde es das sein – sein Allerheiligstes –, sein Studierzimmer«, erklärte uns mein Vormund.
»Ja«, sagte Mr. Skimpole und sah sich mit strahlender Miene um. »Das ist der Käfig des Vogels. Hier wohnt und singt der Vogel. Dann und wann rupfen sie ihm die Federn aus und schneiden ihm die Flügel. Aber er singt.«
Er reichte uns die Trauben hin und ergänzte in seiner strahlenden Weise: »Er singt kein anspruchsvolles Lied, aber er singt.«
»Die Trauben sind vorzüglich«, sagte mein Vormund. »Ein Geschenk, Harold?«
»Nein. Irgendein liebenswürdiger Gärtner hat sie zu verkaufen gehabt. Als ein Gehilfe sie gestern abend brachte, fragte er, ob er auf das Geld warten solle. 'Ich dächte nicht, mein Freunds riet ich ihm, 'wenn Ihnen Ihre Zeit etwas wert ist.' Und das mußte wahrscheinlich der Fall sein, denn er ging fort.«
Mein Vormund sah uns lächelnd an, als wolle er sagen: »Ist es überhaupt möglich, mit diesem Kind von praktischen Sachen zu sprechen?«
»Das ist heute ein Tag, dessen man sich hier ewig erinnern wird«, sagte Mr. Skimpole und nahm aus seinem großen Glas einen kleinen Schluck Claret. »Wir werden ihn den St. Clare und St. Summersonntag taufen. Sie müssen meine Töchter sehen. Ich habe eine blauäugige Tochter, das ist meine Schönheitstochter, dann eine Gefühlstochter und außerdem eine Komödientochter. Sie müssen sie alle sehen – Sie werden entzückt sein.«
– Er wollte sie holen gehen, aber mein Vormund hielt ihn ab und bat ihn, noch einen Augenblick zu warten, da er erst ein paar Worte mit ihm sprechen möchte. –
»Soviel Augenblicke wie Sie wollen, mein lieber Jarndyce.« Mr. Skimpole setzte sich wieder auf sein Sofa. »Auf Zeit kommt es uns hier nie an. Wir wissen nie, wie spät es ist, und kümmern uns auch nicht darum. Das ist nicht der Weg, im Leben vorwärts zu kommen, werden Sie sagen. Gewiß nicht. Wollen wir denn überhaupt im Leben vorwärtskommen? Wir beanspruchen es doch gar nicht.«
– Mein Vormund warf uns wieder einen lustigen Blick zu. –
»Nun, Harold«, fing er an, »was ich Ihnen zu sagen habe, betrifft Rick.«
»Er ist mein teuerster Freund auf der Welt«, fiel Mr. Skimpole herzlich ein. »Er soll wahrscheinlich nicht mein teuerster Freund sein, da er mit Ihnen nicht auf bestem Fuß steht? Aber er ist es nun einmal, und ich kann nichts dafür. Er ist voll jugendfrischer Poesie, und ich liebe ihn. Wenn Sie das nicht gerne sehen, so kann ich mir nicht helfen. Ich liebe ihn.«
Seine gewinnende Offenheit machte wirklich einen uneigennützigen Eindruck, entzückte meinen Vormund und jedenfalls
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