Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bleakhouse

Bleakhouse

Titel: Bleakhouse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
Vom Netzwerk:
selbst.«
    Ich benutzte einmal eine Gelegenheit, meinen Zweifeln Ausdruck zu geben, ob Mr. Skimpole ein guter Ratgeber für Richard sei.
    »Ratgeber?« lachte mein Vormund. »Aber, liebe Esther, wem würde es einfallen, sich von Skimpole einen Rat geben zu lassen!«
    »Anstifter wäre vielleicht das bessre Wort«, sagte ich.
    »Anstifter, Esther? Wer könnte sich denn von Mr. Skimpole zu irgend etwas aufmuntern oder anstiften lassen?«
    »Nicht Richard?«
    »Nein. Ein so unweltlich gesinntes, unberechnendes und immer in Wolken schwebendes Geschöpf kann ihm vielleicht ein Spaß oder zu Zeiten ein Trost sein. Von einem Kind wie Skimpole kann man nicht annehmen, daß er irgend jemand aufmuntere, anstifte oder irgend etwas überhaupt ernst nähme.«
    »Bitte, Vetter John«, fragte Ada, die eben hereingetreten war und jetzt über meine Schulter blickte, »was hat ihn denn eigentlich zu einem solchen Kind gemacht?«
    »Was ihn zu einem solchen Kind gemacht hat?« Mein Vormund rieb sich ein wenig ratlos den Kopf.
    »Ja, Vetter John.«
    »Nun«, antwortete langsam und zögernd Mr. Jarndyce und fuhr sich durch die Haare, »er ist ganz Gefühl und – Empfänglichkeit und – Sensibilität – und – und Einbildungskraft. Alle diese Eigenschaften sind bei ihm, ich weiß nicht, wieso, nicht gehörig geregelt. Ich vermute, die Leute, die ihn deswegen in seiner Jugend vielleicht bewunderten, haben auf sie zuviel Wert gelegt und zuwenig auf ihre Erziehung. Und so ist er schließlich zu dem geworden, was er ist. Wie?« Mein Vormund brach kurz ab und sah uns erwartungsvoll an. »Was haltet ihr beide davon?«
    Ada warf mir einen Blick zu und meinte, es sei jedenfalls bedauerlich, daß er Richard soviel Geld koste.
    »Das ist richtig. Das ist richtig«, fiel mein Vormund hastig ein. »Das darf nicht sein. Das muß anders werden. Das darf ich nicht dulden. Das geht durchaus nicht.«
    Ich sagte, ich hielte es für beklagenswert, daß Mr. Skimpole wegen eines Geschenkes von fünf Pfund Richard überhaupt bei Mr. Vholes eingeführt habe.
    »So? Tat er das?« Ein Schatten des Verdrusses flog rasch über das Gesicht meines Vormundes. »Da habt ihr ihn wieder. Das sieht ihm ähnlich. Bei ihm liegt darin aber trotzdem nicht die mindeste Habgier. Er hat einfach keinen Begriff von dem Werte des Geldes. Er führt Rick ein, und dann wird er gut Freund mit Mr. Vholes und borgt sich von ihm fünf Pfund. Er denkt sich nicht das geringste dabei. Ich möchte wetten, er hat es dir selbst gesagt, liebes Kind.«
    »Allerdings.«
    »Na also!« rief mein Vormund triumphierend. »Da haben wir's wieder. Wenn er etwas Unrechtes damit beabsichtigt hätte, würde er dir doch nicht selbst alles erzählt haben. Er spricht so, wie er handelt, in reiner kindlicher Einfalt. Aber ihr müßt ihn einmal in seiner Wohnung sehen. Dann werdet ihr ihn besser verstehen. Wir müssen ihm einen Besuch machen und ihm wegen des erwähnten Punktes Vorstellungen machen. Ja, ja, meine Lieben, er ist ein Kind, ein reines Kind.«
    So kam es, daß wir uns wenige Tage später in London befanden und bald vor Mr. Skimpoles Türe standen. Seine Wohnung lag im sogenannten Polygon in Somerstown, wo sich damals viele arme spanische Flüchtlinge aufhielten und, in Mäntel gehüllt, kleine Papierzigarren rauchend, umherschlenderten. Ob er ein besserer Mieter war, als man hätte annehmen sollen, oder weil Freund »Jemand« zuletzt immer doch den Zins bezahlte, oder ob sein Mangel an Geschäftssinn seine endgültige Entfernung aus dem Logis vielleicht schwierig gestaltete, weiß ich nicht, jedenfalls bewohnte er das Haus schon seit mehreren Jahren.
    Es war in einer Weise verfallen, die unsern Erwartungen ganz entsprach. Zwei oder drei Vorgartengitter fehlten ganz, das Wasserfaß war zerbrochen, der Klopfer locker, der Klingelgriff, nach dem verrosteten Zustand des Drahtes zu urteilen, längst abgerissen, und nur schmutzige Fußtapfen auf der Treppe verrieten, daß es überhaupt bewohnt war.
    Ein schlampiges üppiges Mädchen, das aus den geplatzten Nähten ihres Kleides und den Rissen in ihren Schuhen wie eine überreife Beere herauszuquellen schien, öffnete auf unser Klopfen die Tür ein wenig und versperrte die Öffnung mit ihrem Körper. Als sie Mr. Jarndyce erkannte – Ada und mir schwante es, als ob er mit ihrer monatlichen Entlohnung in einer gewissen Verbindung stünde –, schwand sofort ihre Besorgnis, und sie ließ uns eintreten.
    Da das Schloß verdorben war, machte sie die

Weitere Kostenlose Bücher