Bleakhouse
nicht viel? Bin ich etwa so dumm, zu glauben, wie ein Kind, daß ich bin hierhergekommen in dem Kleid, um den Knaben zu sehen, nur wegen einer kleinen Wette? Mon dieu, o ja.«
– Anfangs hat Mademoiselle, ironisch höflich, liebenswürdig gesprochen, dann ist sie plötzlich zum bittersten Hohn übergegangen, und ihre schwarzen Augen, eben noch fast ganz geschlossen, sind jetzt weit aufgerissen. –
»Wollen mal sehen, wie die Sachen stehen«, sagt Mr. Tulkinghorn, klopft sich mit dem Schlüssel an das Kinn und macht ein höchst gleichmütiges Gesicht.
»Ja! Wollen mal sehen«, stimmt Mademoiselle mit lebhaftem und zornigem Kopfnicken ein.
»Sie kommen zu mir mit dem merkwürdig bescheidnen Verlangen, das Sie eben ausgesprochen haben, und wollen wahrscheinlich, wenn ich Ihnen nicht willfahre, wiederkommen?«
»Wiederkommen«, bestätigt Mademoiselle und nickt abermals zornig. »Und wieder. Und immer wieder. Und immer und immer wieder, ja, ewig.«
»Und nicht nur hierher wollen Sie kommen, sondern auch, wenn das keinen Erfolg hat, zu Mr. Snagsby? Immer und immer wieder?«
»Immer wieder«, knirscht Mademoiselle verbissen. »Und immer wieder. Und immer wieder.«
»Sehr gut. Jetzt, Mademoiselle Hortense, möchte ich Ihnen empfehlen, das Licht zu nehmen und Ihr Geld aufzulesen. Wenn ich nicht irre, liegt es hinter dem Pult des Schreibers dort in der Ecke.«
Sie schleudert ihm nur über die Schulter eine Lache ins Gesicht und bleibt, die Arme verschränkt, unbeweglich stehen.
»Sie wollen nicht?«
»Nein, ich will nicht.«
»Nun, dann sind Sie um zwei Sovereigns ärmer und ich um diese Summe reicher. Sehen Sie einmal, Mistreß, das ist der Schlüssel zu meinem Weinkeller. Ein hübsch großer Schlüssel, aber die Schlüssel von den Gefängnissen sind noch größer. In dieser Stadt gibt es Zwangsanstalten mit Tretmühlen – auch für Frauen –, deren Kerkertüren sehr dick und schwer sind, und wahrscheinlich auch die Schlüssel. Ich fürchte, einer Dame von Ihrem Temperament und Ihrer Lebhaftigkeit würde es kaum angenehm sein, sich von einem solchen Schlüssel auch nur ein paar Stunden einsperren zu lassen. Was meinen Sie dazu?«
»Ich meine«, entgegnet Mademoiselle, ohne sich zu rühren, in einem klaren verbindlichen Ton, »daß Sie sind – ein elender Schuft.«
»Schon möglich!« Mr. Tulkinghorn schneuzt sich ruhig. »Aber ich frage nicht, was Sie von mir denken, sondern was Sie vom Gefängnis halten.«
»Nichts. Was geht es mich an!«
»Nun, es geht Sie insoweit an, Mistreß«, sagt der Advokat, steckt langsam das Taschentuch ein und zupft sich den Busenstreif zurecht, »daß das Gesetz hierzulande so ungeniert ist, sich energisch einzumischen, um unsere guten englischen Bürger gegen ungebetne Besuche, selbst wenn sie von Damen kommen, zu schützen. Wenn sich jemand beschwert, daß ihn ein solcher Besuch belästigt, so nimmt das Gesetz die betreffende Dame beim Kragen und steckt sie hinter Schloß und Riegel. Ja, es dreht sogar den Schlüssel hinter ihr um, Mistreß.« Mr. Tulkinghorn macht mit dem Kellerschlüssel die entsprechende Bewegung.
»Nein, wirklich?« höhnt Mademoiselle in demselben verbindlichen Ton. »Wie drollig! Aber – meiner Treu – was geht das mich an!«
»Meine schöne Freundin«, sagt Mr. Tulkinghorn, »kommen Sie nur noch einmal hierher oder zu Mr. Snagsby, und Sie werden es erfahren.«
»Dann würden Sie mich vielleicht ins Gefängnis schicken?«
»Vielleicht.«
Mademoiselle macht Miene, mit schäumendem Mund tigerhaft die Zähne zu fletschen, bezwingt sich aber, denn es hätte nicht zu ihrer scherzhaften Stimmung gepaßt.
»Kurz und gut, Mistreß«, sagt Mr. Tulkinghorn, »es würde mir leid tun, unhöflich sein zu müssen, aber wenn Sie noch ein Mal uneingeladen hierher kommen oder zu Mr. Snagsby, übergebe ich Sie der Polizei. Sie ist sonst sehr galant gegen Damen, aber lästig fallende Personen läßt sie auf eine gewisse unangenehme Weise, auf ein Brett geschnallt, durch die Straßen tragen, mein Dämchen.«
»Ich werde Sie beim Wort nehmen«, flüstert Mademoiselle und streckt ihre Hand ganz seltsam aus. »Ich will sehen, ob Sie es wagen.«
»Und wenn ich Ihnen diese gute Stelle im Kerker einmal verschafft habe«, fährt der Advokat gelassen fort, »wird es einige Zeit dauern, ehe ich Sie wieder in Freiheit sehen darf.«
»Ich werde Sie auf die Probe stellen«, wiederholt Mademoiselle mit ihrem früheren Flüstern.
»Und jetzt«, fährt der Advokat
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